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Archiv-Artikel

Feuer frei in Rheinberg

Bürger und Umweltverbände laufen Sturm gegen ein neues Kraftwerk in Rheinberg. Das werde jährlich 36.000 Kilogramm Feinstaub in die Luft blasen, befürchten sie – weil die Technik veraltet sei

VON ALEXANDER FLORIÉ

Am Niederrhein formiert sich der Widerstand gegen ein geplantes so genanntes Ersatzbrennstoff-Heizkraftwerk. In dem Werk in Rheinberg will das Chemieunternehmen Solvay 400.000 Tonnen Hölzer, Papier und Verpackungen verbrennen, die früher auf Deponien gelagert wurden. Die Rheinberger „BürgerInitiative gegen Sondermüllverbrennung Solvay“(BISS) befürchtet, dass dadurch die Umweltbelastungen durch Schwermetalle und Feinstaub drastisch zunehmen. Außerdem werde die Anlage jährlich 600.000 Tonnen CO2 in die Luft blasen. Was Solvay „Ersatzbrennstoff“ nenne, sei in Wahrheit schlichte Müllverbrennung, sagt Michael Lefknecht von der BISS. Und der BUND kritisiert: Da die Anlage über keine ausreichende Filteranlage verfüge, „müssen die umliegenden Orte mit erhöhter Feinstaubbelastung rechnen“, so BUND-Expertin Claudia Baitinger.

Mit dem Kraftwerk will Solvay seine Fabrik in Rheinberg mit Strom versorgen. Das übernimmt bislang ein Kohle-Gas-Kraftwerk. Bei den steigenden Rohstoffpreisen sei dies allein jedoch zu teuer, wodurch die Wettbewerbsfähigkeit des Chemiestandorts gefährdet sei, sagt Werkschef Heinz Josef Welter. Auf mittlere Sicht möchte Solvay gegenüber des neuen Heizkraftwerks einen Chemiepark eröffnen, der zusätzliche Investoren anlocken soll.

Durch die neue Anlage werden die Feinstaubwerte laut BISS exorbitant in die Höhe schnellen: Während die benachbarte Müllverbrennungsanlage Asdonkshof jährlich 460 Kilogramm Feinstaub produzieren dürfe, habe Solvay für die neue Anlage 36.000 Kilogramm Emissionen beantragt. Verschlimmert wird die Lage laut BUND dadurch, dass in dem Kraftwerk nur eine Rauchgasreinigungsstufe vorgesehen sei. In Asdonkshof dagegen wurden nach Protesten der Bevölkerung in den 90er Jahren strenge Auflagen bei der Rauchgasreinigung durchgesetzt.

Für Solvay sind die Befürchtungen der Bürger und Umweltschützer übertrieben. Die geplante Rauchgasreinigung entspreche dem aktuellen Stand der Technik, so Wilfried Kleiböhmer, bei Solvay für den Umweltschutz zuständig. Die Belastungen in Rheinberg und Umgebung würden zwar steigen, das sei aber so geringfügig, dass die Fachleute die Emissionen selbst bei ununterbrochenem Vollbetrieb als „irrelevant“ einstufen würden.

Die Gegner der Anlage kritisieren, Solvay gehe es mit der Müllverbrennung nur ums Geschäft. „An jeder Tonne Müll hängt etwa ein 50 Euro-Schein – das sind 20 Millionen Euro zusätzlich, und für den Brennstoff brauchen sie nichts zu bezahlen“ , so Lefknecht. Dabei sei Müllverbrennung angesichts des Klimawandels eindeutig ein „Holzweg“. Die BISS hofft, das Werk noch verhindern zu können. 2.000 Unterschriften hat die Bürgerinitiative schon gesammelt. Aber die Zeit wird knapp: Die Frist für Einwendungen gegen das Projekt läuft am 24. April ab.