kunstrundgang : Brigitte Werneburg schaut sich in den Galerien von Berlin um
Das Spiel von Schärfe und Unschärfe, das in den neuen Gemälden zu beobachten ist, die Florin Kompatscher bei Wiensowski & Harbord ausstellt, kann leicht in die Irre leiten. Denn allzu schnell neigt man dazu, von der Unschärfe auf die Bilder der Popkultur zu schließen, die Natur-als-Seelenlandschaften des Horrorfilms, wie sie etwa Peter Doig in seinen Bildern zitiert. Aber so direkt und unkompliziert geht es bei Florin Kompatscher nicht zu. Er arbeitet komplizierter, komplexer. Wer im popkulturellen Fundus die Wiederkehr ikonischer Figuren der klassischen Kunstgeschichte erkennt, ist auf der heißeren Spur. Archimboldo, Dalí, in einem scharf und penibel gemalten Gras- oder Felsstück vielleicht sogar Dürer, sind Kompatschers Referenzen. Gerne mischt ein grelles Pink oder ein strahlendes Aquamarinblau mit abstraktem Gestus den morastigen Realismus des erdigen Brauns auf, das wegen seines Namens Kompatschers Interesse fand: „Asphalt“.
Womit es näher liegt an moorige Stadtbrachen zu denken als an freie Natur. Schließlich lebt Florin Kompatscher auch schon seit drei Jahren am „Schauplatz: Berlin“, der dem Titel seiner Schau, „Halluzination“, durchaus den entsprechenden Stoff liefert. Das beweist der Elefant im Empire-Wohnzimmer, den die Fotografinnen Iris Czak und Marei Wenzel in einem Einfamilienhaus in Tegel aufspürten. Als Location Scouts haben sie die unwahrscheinlichsten Orte gefunden, die sie – in einer klugen Mischung mit durchaus wahrscheinlichen Orten – zu „Schauplatz: Berlin“ zusammenfügten, einem wundersamen Fotoband und einer ebensolchen Ausstellung bei Bildschöne Bücher. Unerwartet taucht bei Betrachtung des Panoramas von Kreißsaal, Turnhalle, Villa, Obdachlosenasyl oder Bibliothek allerdings die Frage auf, warum ausgerechnet die Mitte-Lofts die stets skurrilsten Schauplätze bilden.