: Maas lenkt ein bisschen ein
STRAFRECHT Vergewaltigungen werden in Deutschland oft nicht geahndet. Das Berliner Justizministerium prüft nun nach langem Zögern, ob eine Verschärfung nötig ist. Auch die CDU hatte Druck gemacht
BERLIN taz | Justizminister Heiko Maas (SPD) hat sich bewegt: Er lässt nun prüfen, ob eine Verschärfung des Vergewaltigungsparagrafen im Strafrecht nötig ist. Bisher hatte er darauf beharrt, dass eine Verschärfung nicht nötig sei – obwohl eine von Deutschland unterzeichnete Europaratskonvention dies vorsieht. Dennoch hatte Maas betont, dass mit dem aktuellen Entwurf zur Reform des Sexualstrafrechts der Istanbul-Konvention genüge getan sei – und viel Protest geerntet. Der entsprechende Paragraf 177 ist in dem Gesetzentwurf nicht einmal erwähnt.
Die sogenannte Istanbul-Konvention sieht vor, dass sämtliche „nicht einverständliche sexuelle Handlungen“ an einer Person bestraft werden sollen. Im deutschen Strafrecht dagegen werden bestimmte Kriterien genannt. Das Opfer muss sich körperlich gewehrt haben oder in einer objektiv schutzlosen Lage gewesen sein. Opfer, die starr vor Schreck waren oder den Ratschlag im Ohr hatten, dass man möglichst wenig Widerstand leisten soll, um die Lage nicht zu eskalieren, sehen sich daher regelmäßig mit der Einstellung ihre Verfahrens konfrontiert.
„Nein heißt Nein“, betonten deshalb die Aktivistinnen für eine Verschärfung des Strafrechts, darunter der Deutsche Juristinnenbund und das Deutsche Institut für Menschenrechte. Habe jemand seinen Willen kundgetan, so sei eine Missachtung dieses Willens als Vergewaltigung zu werten. Nachdem auch Abgeordnete der Regierungsfraktionen Maas drängten, tätig zu werden, will dieser nun noch einmal über die Regelung nachdenken. Im Gesetzentwurf zur Sexualstrafrechtsreform, mit dem unter anderem das Strafrecht bei Kinderpornografie verschärft wird, steht jetzt, dass geprüft werde, ob die Istanbul-Konvention damit schon umgesetzt sei. Wie Elisabeth Winkelmeier-Becker, rechtspolitische Sprecherin der CDU, mitteilte, plane das Ministerium nun eine Abfrage bei den Bundesländern. Die sollen Fälle aus der Praxis zusammentragen, anhand derer über den Reformbedarf entschieden werden soll.
Winkelmeier-Becker zitierte einen Fall, in dem der Vergewaltiger den Freund des Opfers vor seinen Augen erschoss und dieses dann vergewaltigte. Sie habe sich nicht gewehrt, also sei es keine Vergewaltigung gewesen, so die Richter. Winkelmeier-Becker, die selbst Richterin war, hat Fälle gesammelt: „Mit überraschenden Ergebnissen. Nicht nur ich war erstaunt, dass diese Fälle nicht strafbar sein sollten. Das kann man nicht so stehen lassen.“
In das aktuelle Gesetz über die Reform des Sexualstrafrechts wird die Verschärfung aber nicht mehr eingefügt. Winkelmeier-Becker zeigte sich aber zuversichtlich, dass noch in dieser Legislaturperiode gehandelt wird.
HEIDE OESTREICH