: Zschäpe ringt mit Verteidigern
NAZI-TERROR Die Angeklagte im NSU-Prozess sucht den Kontakt zu einem neuen Anwalt. Offenbar ist sie doch bereit, vor Gericht auszusagen. Ihre Verteidiger lehnen das ab
VON KONRAD LITSCHKO
BERLIN taz | Sie gibt nicht klein bei: Beate Zschäpe ringt weiter mit ihrer Verteidigung im NSU-Prozess vor dem Münchner Oberlandesgericht. Nach taz-Informationen besuchte am Dienstag und Mittwoch der Rechtsanwalt Marc Jüdt aus Karlsdorf (Baden-Württemberg) Zschäpe in der JVA Stadelheim. Dabei ging es um die Frage, ob und wie Jüdt in das Verteidigerteam einsteigen könnte.
Im Juli war das Zerwürfnis von Zschäpe mit ihren drei Pflichtverteidigern offen zutage getreten: Überraschend stellte die 39-Jährige einen Misstrauensantrag gegen ihre Anwälte. Der Senat lehnte diesen später ab: Das von Zschäpe nachgelieferte kurze Begründungsschreiben sei „nicht hinreichend“.
Der Dissens aber blieb. Zschäpe schrieb daraufhin an Jüdt und bat um einen Gesprächstermin. Der Anwalt bestätigte am Donnerstag den Besuch bei der Angeklagten. Zum Inhalt der Gespräche wollte sich Jüdt nicht äußern.
Zschäpe soll nun in Gesprächen mit ihren Pflichtverteidigern – Anja Sturm, Wolfgang Heer, Wolfgang Stahl – über die Personalie befinden. Offen ist, ob der Senat um Richter Manfred Götzl bereit wäre, einen weiteren Verteidiger zu akzeptieren.
Die Sprecherin des Oberlandesgerichts, Andrea Tietz, sagte, solange kein Antrag vorliege, gebe es auch „noch keine entsprechenden Überlegungen“. Grundsätzlich sei die Zahl von Pflichtverteidigern nicht beschränkt. Bei Wahlverteidigern liege die Grenze bei drei.
Zschäpes Anwaltstrio lehnte eine Stellungnahme ab. Man äußere sich nicht zu „Umständen, die das innere Mandatsverhältnis betreffen“, sagte Wolfgang Heer der taz. Würde Jüdt tatsächlich zum Verteidigerteam dazustoßen, könnte sich im NSU-Prozess noch eine entscheidende Wende ergeben. Denn offenbar ist Zschäpe doch gewillt, sich zumindest zu Teilen der Anklage einzulassen. Sturm, Stahl und Heer raten ihr davon bisher ab. Sie setzen eher darauf, bei Zeugenbefragungen immer wieder Zweifel zu säen.
Es würde für Zschäpe wenig Sinn machen, nun einen Anwalt hinzuzuholen, der den gleichen Kurs verficht.
Jüdt wollte sich nicht äußern, wie er Zschäpe verteidigen würde, sollte er tatsächlich ernannt werden. Auch wie die Angeklagte gerade auf ihn kam, ließ er offen.
Jüdt ist seit 1997 als Rechtsanwalt tätig. Auf der Internetseite eines Motorradrocker-Blogs wird er in einer Liste von „Rechtsanwälten für Biker“ geführt.
Die Anwaltssuche zeigt auch die zunehmende Nervosität Zschäpes. Nach 137 Verhandlungstagen läuft im Münchner Verfahren bisher alles auf eine Verurteilung mit langer Haftstrafe für die Angeklagte hinaus. Zschäpe wird vorgeworfen, Mittäterin der zehn Morde, zwei Anschläge und 14 Banküberfälle der rechtsextremen NSU-Terrorgruppe zu sein.
In dieser Lage passt der Werbespruch Jüdts. „Die Aufgabe des Strafverteidigers ist es“, heißt es auf dessen Internetseite, „Zweifel zu säen, wo sie keiner mehr hat, und Hoffnung zu pflanzen, wo sie längst verflogen war“.