Krafttheater zum Letzen

Mit Intendant Klaus Pierwoß verlässt auch der österreichische Theaterprovokateur Hans Kresnik Bremen – allerdings nicht ohne eine letzte Inszenierung: „Amerika“ spielt im still gelegten Güterbahnhof, auf dem Boden liegen ausgeweidete Schweine

Der bremische Güterbahnhof ist der richtige Ort für die vermutlich letzte Inszenierung des Theaterprovokateurs Hans Kresnik in Bremen. Schon die Pressekonferenz vor Ort erlaubt Vorahnungen: 170 mal 70 Meter groß ist der Raum, tiefer liegend drei Schienenspuren. Eine Spur ist mit Folie ausgelegt, auf den drei Bahnsteigen: Schiffe, die amerikanische Freiheitsstatue, Möbellager, ausgeweidete Schweine, von denen die Innereien am Boden liegen, Autowracks, ausgestopfte Tiere lebensgroß. Wie Kresniks Bremer Inszenierung von „Letzte Tage der Menschheit“ wird das Publikum auch in „Amerika“ das Theater erwandern müssen.

Eigentlich hatte Peter Greenaway den Güterbahnhof mit der Bremer Shakespeare Company für die Kulturhauptstadt-Bewerbung Bremens bespielen wollen, doch nachdem es mit der Kulturhauptstadt nichts wurde, sagte Greenaway ab. Doch dank Kresnik freut sich der Bremer Generalintendant Klaus Pierwoß nun zum Ende seiner letzten Spielzeit auf einen „Kraftakt mit besonderen Härtegraden“. Zwölf Schauspieler werden im Güterbahnhof dabei sein, 20 Statisten und vier Musiker. Der Librettist Christoph Klimke hat eine Fassung des Kafka-Romans erarbeitet, die den Brennpunkt Amerika heute miteinbezieht. Schon Kafkas glückloser Auswanderer Karl Roßmann durchwandert ein Amerika, in dem Gesetz und Gerechtigkeit nie zusammen fallen. Am Schluss des Romans trifft Karl auf das Naturtheater Oklahoma, das ihm neue Hoffnung gibt. Der bremische Schluss wird überraschend anders, verraten wird aber noch nichts. Die Musik für Kresniks Inszenierung liefert der amerikanische Komponist James Reynolds, die vier Musiker tragen Kostüme und sind in das Geschehen involviert.

Die künstlerische Spur, die Hans Kresnik in vielen Jahren in Bremen hinterlassen hat, wird mit dieser Inszenierung wohl erst einmal enden. Bremen profitierte von der produktiven Verbindung zwischen dem österreichischen Künstler und dem Intendanten Pierwoß. Kresniks bildmächtigen Inszenierungen wie „Ulrike Meinhof“, „Macbeth“, „Sylvia Plath“ oder auch „Vogeler“, die er bis 1994 als Leiter des Bremer Tanztheaters lieferte, folgten Projekte wie die Operninszenierungen von Ludwig van Beethovens „Fidelio“ – das er in der untergehenden Werft spielen ließ – und Luigi Nonos „Intolleranza“. Karl Kraus’ „Die letzten Tage der Menschheit“ richtete er im Bunker Farge aus, „Die zehn Gebote“ in der Friedenskirche.

Man mag über Kresnik denken, was man will – er hat wegen seiner häufig plakativen Art und seinem Griff in die Effektkiste nicht ganz zu Unrecht viel Schelte bekommen. Dennoch lässt Kresnik zumindest keine Langeweile aufkommen. Sein Theater ist leidenschaftlich, seine Einfälle sind explosiv, und seine Obsessionen scheinen keine Grenzen zu kennen.

25 Vorstellungen von „Amerika“ wird es geben, am 13. Juli ist dann definitiv Schluss. Das Deutsche Auswandererhaus in Bremerhaven wird zum Stück Ausstellungen und Vorträge organisieren, auch die Uni Bremen, der Verein 23 und die Landeszentrale für politische Bildung arbeiten an Beiprogrammen zum Stück. Um das Wandern des Publikums zu üben, lädt das Theater Bremen vor der Premiere zu zwei Voraufführungen ein. 350 BesucherInnen werden hereingelassen. UTE SCHALZ-LAURENZE

Voraufführungen: 10. und 12. April, Premiere: 14. April, Güterbahnhof Bremen