: Brauner Aufmarsch – rote Augen
DEMONSTRATION Am Samstag marschierte die NPD trotz tausenden ProtestlerInnen – nur durch massive Polizeigewalt, so einer der Vorwürfe des „Keinen-Meter“-Bündnisses
VON JEAN-PHILIPP BAECK UND CHRISTIAN JAKOB
Tausende NPD-Gegner versuchten am Samstag, auf die Demoroute der NPD im Hohentor vorzustoßen. Doch an den Absperrungen kamen sie nicht vorbei. „Der Aufmarsch der Nazis war nur durch brutalen Polizeieinsatz möglich“, sagt Norbert Schepers vom „Keinen-Meter“-Bündnis. Über 300 DemonstrantInnen seien verletzt worden – die meisten mit Pfefferspray, einige hätten Platzwunden und Prellungen erlitten, zwei Menschen ihr Bewusstsein verloren.
„Die Polizei hat Pfefferspray nicht nur in Bedrängnis, sondern auch präventiv eingesetzt,“ so Schepers. Schon kurz nach 10 Uhr sei auf dem Ort der Abschlusskundgebung, dem Leibnizplatz, die erste Reihe der Demo ohne Anlass von der Polizei mit Pfefferspray angegriffen worden, die am Boden liegenden DemonstrantInnen seien mit Knüppeln verprügelt worden. Um kurz vor 11 Uhr sei in einem Polizeikessel in der Pappelstrasse ein Rettungswagen zu einem bewusstlosen Demonstranten zunächst nicht durchgelassen worden. „Die Polizisten sagte nur: ‚Keiner kommt rein oder raus‘“, so eine Demo-Sanitäterin, die bei der Erstversorgung dabei war. Gegen Mittag wurde an gleicher Stelle der Demonstrant Frank Wegener von der Polizei aus seinem Rollstuhl geworfen. „Die wollten auf die Demonstranten los, aber ich stand im Weg“, so Wegener. Daraufhin hätten PolizistInnen erst versucht, seinen Rollstuhl anzuheben und ihn dann jedoch kurzerhand aus dem Rollstuhl auf den Asphalt geworfen und liegen lassen. „Ich musste mir von der Polizei noch anhören, was ich denn mit einem Rollstuhl auf einer Demo zu suchen hätte und dass ich doch lieber zu Hause bleiben soll.“
Die Polizei antwortete bis Redaktionsschluss nicht auf eine Anfrage hierzu.
Rainer Gausepohl, Sprecher des Innenressorts, nannte den Polizeieinsatz „den Erfordernissen angemessen und ordentlich“. Er könne die Zahl von 300 Verletzten nicht nachvollziehen. Es seien weniger als zehn verletzte Demonstranten bei den Rettungskräften registriert. Fünf Polizisten seien verletzt worden.
Eine Gruppe von Anwälten, die die 23 in Gewahrsam genommenen Demonstranten vertritt, erhebt Vorwürfe gegen das Amtsgericht. Das habe Anträge zur Überprüfung der Festsetzung nicht zur Entscheidung angenommen. „Die Richter sagten, die Polizei habe ihnen versichert, dass die Leute in spätestens 90 Minuten wieder draußen seien. Deswegen gäbe es für sie nichts zu entscheiden,“ sagt Rechtsanwältin Giljen Theisohn. Das war um 15.45 Uhr. Demnach hätten die Gefangenen spätestens um 17.15 Uhr wieder frei gelassen werden müssen. „Tatsächlich ist der letzte erst um 20.15 Uhr entlassen worden.“ Den Demonstranten wären womöglich mehrere Stunden in der Zelle erspart geblieben, wenn die Richter „die Zuständigkeit angenommen hätten.“ Richter Hans Ahlers wies die Kritik zurück: „Wir entscheiden erst, wenn die Polizei beantragt, die Gefangenen auch nach der ED-Behandlung in Gewahrsam zu lassen. Das war hier nicht der Fall.“ Theisohn hält dies für „rechtswidrig“. „Es gibt einen Rechtsweg und zwar zum Amtsgericht.“ Das sei „verfassungsrechtlich geboten, weil eine Person gegen eine Freiheitsentziehung vorgehen können muss. Auch die Polizei habe sich nicht korrekt verhalten. Sie selbst habe mit zwei weiteren Anwälten über eine Stunde vorm Präsidium warten müssen, bis sie zu ihren Mandanten gelassen wurden.
Ulrich Mäurer (SPD) bekräftigte am Sonntag die Forderung nach einem NPD-Verbot. Schepers sagte dazu: „In Bremen wurde der Aufmarsch der NPD gegen den Protest von über 4.000 Menschen durchgesetzt.“