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Archiv-Artikel

Unfaire Handelspraktiken

MARKTMACHT Die fünf größten deutschen Supermarktketten teilen sich rund 90 Prozent des Handels mit Lebensmitteln. Unter den von ihnen auferlegten Bedingungen leiden auch Produzenten und Lieferanten aus dem Süden

Arbeitsrechte werden in den Lieferketten hiesiger Supermärkte massiv verletzt

VON OLE SCHULZ

Anfang Juli hat das Bundeskartellamt die Supermarktkette Edeka wegen Hochzeitsrabatten abgemahnt, die Lieferanten nach Übernahme der Plus-Märkte zahlen mussten. Der Vorgang liegt bereits fünf Jahre zurück. 2009 hatte Edeka erhebliche Sonderzahlungen von seinen Lieferanten unter anderem für den Umbau der Plus-Filialen verlangt und teilweise auch rückwirkende Änderungen der Vertragsbedingungen durchgesetzt. Die Abmahnung wird von Nichtregierungsorganisationen begrüßt. Kritisch gesehen wird von diesen allerdings auch, „dass die Entscheidung so spät kommt und Edeka auch kein Bußgeld zahlen muss“, so Oxfam-Handelsexpertin Franziska Humbert.

Der Vorgang ist nur ein Beispiel für gängige unfaire Handelspraktiken in der Lebensmittellieferkette, bei der vor allem die großen Supermarktkonzerne ihre Macht ausspielen, etwa Kosten und Risiken auf Produzenten und Lieferanten abwälzen und auch nicht davor zurückschrecken, aufmüpfigen Vertragspartnern mit einer Auslistung zu drohen. „Viele zeigen Verstöße erst gar nicht an, weil sie Angst haben, ihre Aufträge zu verlieren“, sagt Anna Hirt, die Koordinatorin der politischen Kampagnenarbeit des Weltladen-Dachverbandes.

Rund 90 Prozent des Lebensmittelhandels hierzulande teilen sich die fünf größten deutschen Supermarktketten inzwischen. Betroffen von deren oft unlauterem Geschäftsgebaren sind gerade auch ausländische Produzenten und Lieferanten. Der Weltladen-Dachverband hat anlässlich dieser Situation gemeinsam mit dem Forum Fairer Handel und der kritischen Supermarktinitiative im Mai zum Weltladentag die Kampagnenaktion „Super Markt Macht Druck“ durchgeführt.

In Fußgängerzonen zahlreicher Städte haben Weltläden dabei unter anderem über die Auswirkungen der Marktmacht der Supermärkte informiert. Im Fokus stehen dabei die Produzentinnen des Südens. Sie sind es in erster Linie, die regelmäßig mit Hungerlöhnen abgespeist werden, die hohe Gesundheitsrisiken zu tragen haben und deren Gewerkschaftsrechte immer wieder verletzt werden.

Diese Vorwürfe werden durch mehrere Studien belegt: Während Oxfam bereits 2011 am Beispiel des Bananen-Anbaus in Ecuador eine massive Verletzung von Arbeitsrechten in der Lieferkette deutscher Supermarktkonzerne festgestellt hat, kam eine Studie der Christlichen Initiative Romero und Ver.di im Vorjahr für die Orangensaftherstellung in Brasilien zu ähnlichen Ergebnissen.

Zum Zeitpunkt der Weltladen-Kampagne vor den EU-Wahlen gab es noch Hoffnung, dass eine europaweite Regulierung unlautere Handelspraktiken unterbinden könnte – schließlich hatte der EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier 2013 dazu ein Grünbuch in Auftrag gegeben und die EU-Kommission daraufhin den Vorschlag für eine Richtlinie übernommen, welche die Transparenz bestimmter großer Unternehmen in sozialen und ökologischen Fragen verbessern sollte.

Doch Mitte Juli teilte die EU-Kommission mit, dass es aufgrund unterschiedlicher nationaler Gesetzeslagen doch keine EU-Richtlinie geben wird – und das, obwohl festgestellt wurde, dass 96 Prozent der europäischen Zulieferer unter Handelspraktiken leiden, die sie finanziell unter Druck setzen und zum Teil in ihrer Existenz bedrohen.

Die Bundesregierung setzt wie die EU erst einmal weiter auf freiwillige Maßnahmen der Unternehmen, zumal angeblich „keine gesicherten Ergebnisse“ vorliegen, welchen Einfluss die Supermarktketten „auf die Arbeitsbedingungen und Umweltstandards in Entwicklungs- und Schwellenländern haben“, wie es 2013 in einer Antwort auf eine kleine Anfrage der Grünen hieß. Schon 2011 hat das Bundeskartellamt eine Untersuchung zu Marktkonzentration und den Wettbewerbsbedingungen des Lebensmittelsektors in Deutschland eingeleitet. Abschließende Ergebnisse liegen zwar immer noch nicht vor, doch die Akteure des Fairen Handels hoffen nach wie vor, das Bundeskartellamt könnte noch Bewegung in die Debatte bringen.

Der Weltladen-Dachverband will sich auch 2015 und 2016 dem Thema widmen. Dabei soll nicht nur Druck auf die Bundesregierung ausgeübt werden, eine entsprechende nationale Regulierung einzuführen, sondern mittels der Lobbyisten des „Fair Trade Advocacy Office“ in Brüssel auch eine engere Verzahnung auf EU-Ebene stattfinden.

Vor diesem Hintergrund muss auch das Angebot fair gehandelter Produkte in Supermärkten und Discountern kritisch betrachtet werden, betont Anna Hirt, die für den Weltladen-Dachverband die Kampagne „Super Markt Macht Druck“ koordiniert. Verbraucher sollten sich überlegen, wo sie faire Lebensmittel erwerben, solange die Supermarktketten den Fair-Handels-Gedanken nicht auf die gesamte Einkaufspolitik ausdehnen, so Hirt: „Wer im Weltladen einkauft, unterstützt das ganzheitliche System Fairer Handel, während im Supermarkt nur einzelne Produkte faire Standards erfüllen.“