Auf das Siegel kommt es an, oder?

GARANTIEN Die Akteure des Fairen Handels arbeiten mit verschiedenen Ansätzen. Das macht es für Kunden unübersichtlicher

Standards definieren: Neue Siegel besetzen Nischen, die Fairtrade nicht abdeckt

VON FRANK HERRMANN

Drei von vier Deutschen kennen es – das grün-blaue Logo auf schwarzem Grund. Das Erkennungszeichen von Fairtrade International ist aus Supermärkten, Weltläden und sogar bei Discountern nicht mehr wegzudenken und auf Produkten wie Ananas, Rosen oder Wein zu finden. Die Marktdurchdringung des Siegels, das wie kein anderes für faire Lohn-, Arbeits- und Produktionsbedingungen in Ländern des Südens steht, ist eine große Erfolgsgeschichte: 2013 wurden in Deutschland Fairtrade-zertifizierte Waren im Wert von 654 Millionen Euro abgesetzt, mehr als je zuvor. Der Anteil am gesamten Fairen Handel in Deutschland betrug nach Angaben des Forums Fairer Handel 79 Prozent.

Doch inzwischen drängen auch andere Siegel auf den Markt und besetzen Nischen, die Fairtrade nicht abdeckt. So beispielsweise die World Fair Trade Organization (WFTO), die in Fachkreisen bestens bekannt ist, aber nur den wenigsten Konsumenten etwas sagt. Das globales Netzwerk von mehr als 380 Fair-Organisationen aus über 70 Ländern hat 2013 ein neues Prüfsystem im Fairen Handel eingeführt, das es den Mitgliedern ermöglicht, mit dem Logo der WFTO auf den jeweiligen Produkten zu werben. Die WFTO vergibt – anders als Fairtrade – kein Label für einzelne Produkte, sie siegelt ein Unternehmen oder eine Organisation als Ganzes. So lassen sich unterschiedliche Produktgruppen einheitlich labeln, seien es Gewürze, Geschirr oder Spielzeug. Besonders kunsthandwerkliche Produkte profitieren vom neuen System der WFTO. Für sie gab es bisher nur uneinheitliche Kennzeichnungsmöglichkeiten. Vorteil des Prüfsystems: Unternehmen wie der Discounter Lidl, nicht gerade als sozialer Arbeitgeber bekannt, vertreiben zwar einige wenige Fairtrade-zertifizierte Produkte, würden beim Fair-Check der WFTO, der das ganze Unternehmen bewertet, aber sicherlich durchfallen (weitere Infos unten).

Einen anderen Weg geht man beim Biozertifizierer Naturland. Dort hat man die Fair-Kriterien an die heimischen Gegebenheiten angepasst. So werden seit 2006 auch deutsche Verarbeiter mit regionalem Rohstoffbezug auf faire Wirtschaftsweise geprüft und ausgezeichnet: Gerecht bezahlte Milch aus dem Berchtesgadener Land in der Vollmilch-Schokolade der Fairhandelsorganisation Gepa oder faire Äpfel von Streuobstwiesen aus der Region Bodensee-Oberschwaben vom Naturland-Partner dwp – das ist bereits seit einigen Jahren Realität. Auch andere deutsche Unternehmen – wie etwa der Unternehmensverbund Hofpfisterei oder die entwicklungspolitische Handelsorganisation BanaFair sind Naturland Fair Partner – vorausgesetzt, mehr als 70 Prozent ihrer Produkte entsprechen den Naturland Fair Richtlinien. Vorteil gegenüber dem Fairtrade-Standard: Bio und Fair stammen aus einer Hand, Zertifizierungskosten können gesenkt werden, der Verwaltungsaufwand hält sich in Grenzen.

Das Prinzip „Bio und Fair aus einer Hand“ macht sich auch der französische Bio-Zertifizier Ecocert zunutze, dessen Logo inzwischen auch auf einigen deutschen Produkten zu finden ist. Nach der Übernahme des Konkurrenten IMO aus der Schweiz im vergangenen Jahr sind die Franzosen zum weltweit größten Zertifizierungsunternehmen aufgestiegen, und stießen FLO-Cert, den Zertifizierer der Fairtrade-Produkte, vom Thron. Ecocert gilt als Pionier bei fair zertifizierter Naturkosmetik. Der hierfür 2007 entwickelte EFT-Ecocert Fair Trade-Standard orientiert sich an den Richtlinien von Fairtrade. Das bedeutet unter anderem einen garantierten Mindestpreis, eine Verpflichtung zu einer langfristigen Zusammenarbeit sowie Unterstützung der Produzenten bei Anbau und Vermarktung. Die Kriterien sind streng: Erst, wenn der faire Anteil bei über 95 Prozent liegt, kann sich ein Produkt „aus Fairem Handel“ nennen. Zudem ist für einige Produkte wie Bananen, Baumwolle und Blumen eine Bio-Zertifizierung zwingend vorgeschrieben. Darin unterscheidet sich Ecocert von Fairtrade.

Hohe Anforderungen, strenge Kontrollen, ständige Weiterentwicklung: Obwohl alle hier erwähnten Siegel als sehr vertrauenswürdig eingestuft werden können, bleiben sie den Nachweis ihrer positiven Auswirkungen auf die Erzeuger der gesiegelten Produkte schuldig (siehe auch Interview auf Seite 4). Ein Schwachpunkt, meint auch Rohstoffexperte Friedel Hütz-Adams vom Südwind Institut: „Es mangelt an umfassenden Langzeitstudien und an Vergleichen zu Kontrollgruppen, die nicht nach einem Standard arbeiten. Nur so wird es möglich sein nachzuvollziehen, welche Effekte erzielt wurden und wo etwa steigende oder fallende Preise sich auf das Leben der Bauern ausgewirkt haben.“