Raucher dürfen auf Tischservice hoffen

Müssen Raucher sich Speisen und Getränke in Gaststätten selbst holen? Kellnergewerkschaft, Verbraucherminister Seehofer und einige Länder wollen das, um die Beschäftigten zu schützen. Doch erneut haben Ministerialbeamte rechtliche Einwände

AUS BERLIN GEORG LÖWISCH

Ein Hauptargument für Rauchverbote in Gaststätten war der Schutz der Beschäftigten: Wenn sie nicht passiv rauchen wollen, können sie nur ihren Job aufgeben. Nun will die Mehrheit der Bundesländer das Qualmen nur noch in Nebenräumen von Kneipen und Restaurants erlauben – zum Schutz von Gästen und Kellnern. Folglich, sagt Michaela Rosenberger, Vizechefin der Gewerkschaft Nahrung Genuss Gaststätten, dürften die Beschäftigten auch nicht in diese Zimmer geschickt werden. „Hier sollte von vornherein kein Service stattfinden.“

Aber danach, dass Raucher ihre Speisen und Getränke bald selber holen müssen, sieht es nicht aus. Im Gegenteil, gerade die Selbstbedienungsfrage zeigt: Sowohl der Bund als auch die Länder planen Nichtraucherschutzgesetze, doch die Verantwortung für die Kellner schieben sie kunstvoll hin und her.

Fast alle Länder wollen zwar das Rauchen in der Gastronomie auf abgetrennte Nebenräume beschränken. Doch eine taz-Umfrage in den Gesundheitsministerien ergibt, dass sich Baden-Württemberg, Bayern, Rheinland-Pfalz, Sachsen und Sachsen-Anhalt in der Selbstbedienungsfrage gar nicht für zuständig halten. „Hier ist der Bund in der Pflicht“, sagt ein Sprecher von Sachsen-Anhalts Gesundheitsministerin. „Der Ball liegt beim Bund“, erklärt auch die Sprecherin von Baden-Württembergs Gesundheitsministerium.

Der Bund, das ist unter anderem Verbraucherschutzminister Horst Seehofer (CSU). Kürzlich erklärte er im Fernsehen, in Raucherräumen von Gaststätten dürfe künftig nicht bedient werden: „Da muss man sich, was man braucht, holen.“ Ruft man bei Seehofers Pressestelle an, verweist die an Arbeitsminister Franz Müntefering von der SPD: Die Selbstbedienungsfrage falle in seine Zuständigkeit.

Ein Beamter des Arbeitsministeriums schreibt an die Kollegen im Hause Seehofer, Paragraph fünf, Absatz zwei der Arbeitsstättenverordnung werde nicht geändert. Darin werden „Arbeitsstätten mit Publikumsverkehr“, also auch Gaststätten, vom Nichtraucherschutz ausgenommen. So soll es bleiben.

Die Länder, schreibt das Arbeitsministerium weiter, könnten über das Gaststättenrecht Gäste schützten. „Dabei ist jedoch zu beachten, dass zum Schutz der Beschäftigten in gesetzlichen Regelungen der Länder keine strengeren Regelungen als in der Arbeitsstättenverordnung getroffen werden können.“ Sonst würden die Länder ihren Kompetenztitel Gaststättenrecht überziehen und in die Kompetenz des Bundes zum Arbeitsschutz eingreifen.

Übersetzt heißt das: Wir wollen die Beschäftigten nicht schützen – aber ihr tut es bitte schön auch nicht.

Bisher versuchen drei Länder, die Selbstbedienungsregel, die beispielsweise in Schweden gilt, doch noch einzuführen: Berlin, Brandenburg und Thüringen. „Wir wollen es so regeln, dass in den Raucherräumen Selbstbedienung gilt“, sagt ein Sprecher des thüringischen Gesundheitsministerium. Die restlichen Länder sind mit ihren Nichtrauchergesetzen noch gar nicht so weit – oder planen wie das Saarland oder Nordrhein-Westfalen ohnehin laxere Rauchverbote.

Auch in Berlin und Brandenburg haben die Regierungsbeamten Bauchschmerzen. „Nach unseren Vorstellungen soll in den abgetrennten Nebenräumen auch nicht bedient werden“, sagt Berlins Gesundheits-Staatssekretär Benjamin-Immanuel Hoff (Linkspartei). „Hier hatten wir von der Bundesregierung allerdings eine entsprechende Änderung der Arbeitsstättenverordnung erwartet. Inwieweit wir das nun auf Landesebene regeln können, prüfen wir gegenwärtig.“ Ähnlich äußert sich ein Sprecher von Brandenburgs Gesundheitsministerin Dagmar Ziegler (SPD).

„Das ist der totale Verschiebebahnhof“, schimpft die Gewerkschafterin Rosenberger. „Der Bund könnte die Arbeitsstättenverordnung ändern oder die Länder könnten das in ihren Gesetzen regeln. Es wäre so einfach.“