: Ausgleichende Gerechtigkeit
Seit 16 Jahren gleichen die taz-GenossInnen mit ihren Einlagen das ökonomische Gefälle zwischen der taz und der konzerngebundenen Konkurrenz aus
Ab wann jemand „über seine Verhältnisse“ lebt, hängt sehr von den Verhältnissen ab, in denen er oder sie lebt. Als die taz, 1979 ohne nennenswertes Kapital als selbstverwalteter Alternativbetrieb gegründet, zum ersten Mal eine ernste Finanzkrise durchlitt, ging es um den vergleichsweise harmlosen Betrag von 50.000 Euro. Sieben Jahre später retteten die 2.000 GründungsgenossInnen mit 1,5 Millionen Euro Genossenschaftskapital ihre Zeitung im letzten Moment vor dem Konkurs: Mit dem Mauerfall war über Nacht auch die staatliche Berlin-Förderung weggefallen, die das notorisch unterkapitalisierte Unternehmen bisher finanziell über Wasser gehalten hatte. Selbst über diesen Betrag hätte der benachbarte Springer-Konzern sicher nur müde gelächelt.
Die Unabhängigkeit eines großen Verlagshauses ist ein Luxus, den sich eine Zeitung Tag für Tag leisten können muss. Das schließt unter anderem auch das Risiko ein, von anderen – politischen wie publizistischen Gegnern – für eine unbequeme Berichterstattung verklagt zu werden. Die taz wurde bei ihrem publizistischen Weg immer von ihren LeserInnen unterstützt – auch wenn es mal juristisch eng wurde, wie 1981, als die Zeitung im Zusammenhang mit der Hausbesetzerbewegung zu einem Mietboykott der Neuen Heimat aufrief und von der Wohnbaugesellschaft deshalb verklagt wurde. Oder 1987, als der neue Paragraf 130a die „Anleitung zu Straftaten“ ausdrücklich unter Strafe stellte und die taz plötzlich vor dem Abdruck von Interviews, etwa mit Gegnern der Wiederaufbereitungsanlage in Wackersdorf, jedes Wort sorgsam abwägen musste. Damals half unter anderem Rechtsanwalt Christian Ströbele, heute Mitglied des Bundestages, mit juristischem Beistand. Ströbele gehörte 1991 auch zu den Gründungsmitgliedern der Genossenschaft, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, das ökonomische Gefälle zwischen der unabhängigen taz und ihrer konzerngebundenen Konkurrenz auszugleichen. Viele wichtige taz-Projekte sind seitdem mit Mitteln der Genossenschaft angeschoben worden: Ein dringend benötigtes modernes Redaktionssystem konnte mit Genogeld vorfinanziert werden, die deutsche Ausgabe der französischen Monatszeitschrift Le Monde diplomatique wurde genauso mit Hilfe der GenossInnen auf den Weg gebracht wie das Wochenendmagazin „taz.mag“ oder die „taz ruhr“.
Auch der „taz-Prozessfonds“, der künftig das gestiegene Kostenrisiko in presserechtlichen Auseinandersetzungen ausgleichen soll, wird unter dem Dach der taz-Genossenschaft gegründet. Dabei bleibt die Genossenschaft ihrem Prinzip treu, im Namen der taz Projekte zu initiieren und eine Zeit lang zu unterstützen, sie aber nicht auf die Dauer zu alimentieren. Es ist deshalb nötig, genügend UnterstützerInnen zu finden, die mit ihrer Einlage in den Prozessfonds das Ihre dazu beitragen, dass die taz auch künftig wichtige presserechtliche Auseinandersetzungen nicht aus rein finanziellen Erwägungen verlorengeben muss.