: Wie der BND nach undichten Stellen bei sich selbst sucht
Wenn Journalisten Informationen des Geheimdienstes veröffentlichen, stehen zunächst sie selbst und nicht ihre Informationen im Mittelpunkt der Untersuchungen
FREIBURG taz ■ Wenn Sicherheitsbehörden versuchen, ein Leck in den eigenen Reihen zu suchen, wird es für Journalisten meist brenzlig. Fast schon routinemäßig werden dann auch die Journalisten überwacht, die die geheimen Informationen veröffentlicht haben. Da ist nicht nur ein Ausdruck von Pressefeindlichkeit, sondern auch bequem. Schließlich ist es einfacher, die Kontakte eines einzelnen Journalisten zu überprüfen, als herauszufinden, welcher aus der Vielzahl eigener Beamter gerne mit der Presse plaudert.
So war es zum Beispiel in der Cicero-Affäre. Bruno Schirra schrieb für das konservative Monatsmagazin Cicero ein Porträt über den Al-Qaida-Terroristen al-Sarkawi und zitierte dabei aus einem geheimen Dokument des Bundeskriminalamts (BKA). Dort hatten 192 Personen Zugang zu dem Bericht. Deshalb wurde vor allem gegen Schirra ermittelt, dessen Privaträume und die Redaktion von Cicero durchsucht. Ohne Erfolg. Die unbefugte Weitergabe des BKA-Berichts blieb unaufgeklärt.
Ähnlich lief es in der BND-Affäre. Auch da ging es darum, ein offensichtliches Leck in den eigenen Reihen zu finden. So hatte der Spiegel 1995 mit Hilfe einer BND-Quelle publik gemacht, dass der Dienst einen Plutoniumschmuggel zunächst selbst inszeniert hatte, um ihn anschließend aufzudecken. Um das Leck zu finden, wurden ab Mitte der Neunzigerjahre mehrere Journalisten überwacht, die offensichtlich Quellen im BND hatten. Am stärksten waren der Buchautor Erich Schmidt-Eenboom und der Focus-Redakteur Josef Hufelschulte betroffen. Der BND setzte Observationsteams ein und setzte sogar andere Journalisten auf die beiden an. Wieder ohne Erfolg.
Beide Aktionen endeten mit Skandalen. Im Fall Cicero stellte das Bundesverfassungsgericht im Februar dieses Jahres fest, dass die Durchsuchung der Redaktionsräume verfassungswidrig war. Beim BND-Skandal erklärte der vom Bundestag eingesetzte Sonderermittler Gerhard Schäfer, die Überwachungsmaßnahmen gegen Journalisten seien exzessiv und damit „überwiegend rechtswidrig“ gewesen.
Im aktuellen BKA/Focus-Skandal ist manches ähnlich und vieles anders. Ähnlich ist, dass das BKA auch hier nach undichten Stellen in den eigenen Reihen suchte. Und auch hierbei wurde gegen einen Journalisten, Josef Hufelschulte vom Focus, ermittelt. Nach Informationen von Spiegel Online wurde er zumindest einmal vom LKA Bayern observiert. Das Besondere im vorliegenden Fall ist aber, dass auch der dubiose Exagent Werner Mauss Hufelschulte bespitzelte. Das BKA betont, dass Mauss „eigeninitiativ“, also ohne Auftrag, tätig wurde.
Außergewöhnlich ist in diesem Fall aber vor allem, wie das BKA Wind von seinem Leck bekam. Normalerweise erfahren die Behörden aus der Presse, was durch undichte Stellen nach draußen drang. Hier aber meldete sich Privatagent Mauss beim BKA und beschwerte sich, dass ein Journalist geheime Informationen über ihn habe. Der Focus-Redakteur Hufelschulte hat die ihm zugespielten, vermutlich erkauften Dokumente also nicht für eine Veröffentlichung genutzt, sondern für eine Art von Erpressungsmanöver. Insofern hat das BKA hier zwar gegen einen Journalisten ermittelt, der in diesem Fall aber gar nicht journalistisch tätig wurde. Da der Vorgang nun schon einige Zeit zurückliegt, nämlich im Jahr 2002, erstaunt, dass gegen Hufelschulte bisher nur wegen Beihilfe zum Geheimnisverrat ermittelt wurde, nicht aber wegen Erpressung. Die Beihilfe zum Geheimnisverrat ist für Journalisten auch nach dem Cicero-Urteil des Bundesverfassungsgerichts strafbar. Auch Journalisten müssen bei ihren Recherchen die Gesetze beachten. Allerdings wurden die Hürden für Redaktionsdurchsuchungen erhöht. Diese sollen nicht möglich sein, wenn ein Journalist geheime Fakten veröffentlicht; schließlich könne er die Dokumente ja auch zufällig gefunden haben, so die feinsinnige Logik der Verfassungsrichter. Wenn es aber weitere Indizien für einen Geheimnisverrat gibt, dann kann auch weiterhin gegen Journalisten ermittelt werden.
Im vorliegenden Fall geht es inzwischen nicht nur um einfachen Geheimnisverrat, sondern sogar um Bestechung. BKA-Chef Ziercke geht davon aus, dass einzelne BKA-Beamte Interna gegen Geld verraten haben. Dann aber gilt der Informantenschutz noch weniger. Hufelschulte gab gegenüber Mauss zwar an, dass nicht er die Unterlagen von den BKA-Beamten besorgt habe, sondern ein noch unbenannter „Nachrichtenhändler“. Doch dies könnte auch eine Schutzbehauptung sein. Möglicherweise ist Hufelschulte selbst der Nachrichtenhändler. Ob und wie ihm das BKA dann aber Beamtenbestechung nachweisen könnte, ist völlig unklar. Auf Bestechung steht eine Strafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren. Focus hat sich auch gestern nicht geäußert.
CHRISTIAN RATH