: Die Propaganda zieht am Schnürlein
GESCHICHTE Eine Ausstellung in der Topographie des Terrors widmet sich Hans Bayer, der Nazipropaganda schrieb und unter dem Namen Thaddäus Troll in der Bundesrepublik ein bekannter Schriftsteller wurde
VON JAN SCHAPIRA
Es ist nicht bekannt, ob Hans Bayer je einen Menschen umgebracht hat. Er war wohl nie ein strammer Nazi. Immerhin zertrümmerte er einmal im Suff ein Bild von Adolf Hitler, noch vor dem Zweiten Weltkrieg. Aber vielleicht hat Bayer mehr Schuld auf sich geladen als viele überzeugte Hitler-Anhänger: Als Berichterstatter in der Propagandakompanie arbeitete er daran, dass den Soldaten und der Zivilbevölkerung kein Zweifel an der Richtigkeit und dem Erfolg des Krieges käme.
Eine kleine Sonderausstellung, die derzeit in der Topographie des Terrors zu sehen ist, folgt chronologisch Hans Bayers Leben: von seiner Geburt 1914 in Stuttgart-Cannstatt als Sohn eines Seifenfabrikanten bis zu seinem Tod 1980. Beerdigt wurde er als ein mit dem Theodor-Wolff-Preis ausgezeichneter Journalist und als Schriftsteller, der es unter dem Pseudonym Thaddäus Troll und Büchern wie „Deutschland deine Schwaben“ zu einiger Bekanntheit gebracht hatte. Ein Mann der Öffentlichkeit, der die SPD und Willy Brandt unterstützte und dessen Geste der Aussöhnung, den Kniefall in Warschau, begrüßte.
Schreiben war Bayers große Leidenschaft. Noch als Schüler veröffentlichte er erste Artikel in der Lokalpresse, absolvierte ein Volontariat und meldete sich 1939 freiwillig zur Propagandakompanie. Seine Ausbildung als Kriegsberichterstatter umfasste auch den Einsatz und die Wirkung von Propagandamitteln. Der manipulative Ansatz seiner Arbeit war Bayer klar. In sein Tagebuch notierte er: „Die Propaganda zieht am Schnürlein; und schon ist da, was man will, Verachtung oder Hass, oder spontane Begeisterung oder Empörung.“
Bayer war einer jener Berichterstatter in der Wehrmacht, die mit ihrem Schreiben die Vorstellung der deutschen Bevölkerung beeinflusste und dem mörderischen Tun der Soldaten einen höheren Sinn verlieh. Anschaulich schreibt Bayer von aufregenden Kämpfen mit den Sowjets; zähe Männlichkeit scheint auf, wenn er von durchgelaufenen Stiefeln erzählt; und einfühlsam stärkt er die Moral der Soldaten nach vielen Jahren des Krieges: Er vergleicht sie mit „Langstreckenläufern“, die stets zum Ende ihre beste Leistung brächten. Hass auf Juden und Osteuropäer, banal und geifernd, findet sich aber in den Artikeln nicht, die eindeutig Bayer zugeordnet werden können. Ein rasender Nazi war er nie. Über sich selbst und den Nationalsozialismus schrieb er 1972, er sei immer den Weg des „geringsten Widerstandes“ gegangen, habe versucht, sich „ohne allzugroße Zugeständnisse durchzumogeln“.
Bayer war an der Ostfront, er begleitete die Truppen bis kurz vor Moskau. Er sah mit eigenen Augen, wie Kriegsgefangene erschossen wurden, wie Dörfer brannten und wie die Juden im Warschauer Ghetto litten. Was ihm dazu noch alles an Gräueln zu Ohren kam, darüber kann man nur spekulieren. Die Darstellung von Grausamkeiten und Verbrechen fehlt aber nicht nur in seinen Zeitungsartikeln, die der militärischen Zensur unterlagen, sondern auch in seinen privaten Tagebuchaufzeichnungen. Einer, der die deutschen Grausamkeiten für die Nachwelt dokumentierte, war er nicht. Im Gegenteil, in seinem Tagebuch notierte er, wie sehr ihm der Krieg als Abenteuer ein Genuss sei.
Als ihn seine Töchter Jahre später – da war er schon ein bekannter Autor – auf seine Nazi-Artikel ansprachen, soll er ausweichend reagiert haben. Gerne sagte er über die Kriegszeit, er sei „nur Soldat gewesen“. Dass er ab August 1944 auch Chefredakteur der Zeitung Der Sieg war, verschwieg er. Zu seiner Schuld als Propagandist des Regimes hat sich Bayer öffentlich nie eindeutig bekannt. Er hat sich weiter durchgemogelt.
■ Bis 16. November, täglich 10–20 Uhr. Der Katalog kostet 12 Euro