: Kifferkneipen sollen rauchfrei sein
VON HENK RAIJER
Cannabisfans von Rhein und Ruhr könnten bald buchstäblich auf der Straße stehen. Wenn es nach Ab Klink, Hollands neuem Gesundheitsminister, geht, soll mit Einführung des Rauchverbots in Gaststätten der Qualmerei auch in den Coffeeshops zwischen Nijmegen und Maastricht der Garaus gemacht werden. Der Christdemokrat verblüffte nur wenige Wochen nach seinem Amtsantritt sogar Parteifreunde mit der Ankündigung, er wolle nicht nur das für Januar 2009 geplante Rauchverbot in Restaurants, Kneipen, Cafés und Diskos um ein Jahr vorziehen, sondern auch gleich das Kiffen in den eigens dafür vorgesehenen und geduldeten Etablissements des Landes verbieten. Um einen für alle Gaststätten verbindlichen rauchfreien Arbeitsplatz durchzusetzen, sei es unumgänglich, so der Minister jüngst im Kabinett, das Rauchen in Coffeeshops per Gesetz zu stoppen. Klink will diese künftig nur noch als „Abholstützpunkte“ zulassen.
Ein Rauchverbot für Kifferhöhlen? Marihuana und Haschisch künftig nur noch am Kiosk? Das entlarvt sogar die rechtsliberale Opposition im Haager Parlament als widersinnig. „Ein Rauchverbot in Kifferkneipen ist wie ein Alkoholverbot für Biergärten“, schoss die VVD gegen den Gesundheitsminister. Die holländischen Grünen, die umgehend eine Eildebatte im Parlament forderten, sehen gar die Grundpfeiler der niederländischen Drogenpolitik in Gefahr. „Die Idee ist doch, dass die Leute ihren Stoff im Coffeeshop kaufen und an Ort und Stelle konsumieren“, sagt GroenLinks-Politiker Kees Vendrik. „Wenn das nicht mehr möglich sein sollte, haben wir Handel und Konsum wieder genau dort, wo sie früher mal waren und wir sie nicht mehr haben wollen: in der Illegalität und auf der Straße.“
Ärger auf der Straße
Der Verdacht, wonach die regierenden Christdemokraten das allgemeine Rauchverbot als Hebel nutzen könnten, um auf einen Schlag alle Coffeeshops loszuwerden, ist nicht ganz abwegig. Den meisten Konservativen im Lande wie auch Kritikern im europäischen Ausland ist die liberale Drogenpolitik der Niederlande schon lange ein Dorn im Auge. Der Verkauf von Cannabis ist in den Niederlanden nicht legal, sondern wird aus Gesundheitserwägungen und mit Rücksicht auf die öffentliche Ordnung unter strengen Auflagen geduldet. Fünf Gramm pro Tag ist die zulässige Menge, die ein volljähriger Käufer für den eigenen Gebrauch in einem Coffeeshop, in dem er eingetragenes Mitglied ist, erwerben kann. Ob er den Stoff mitnimmt oder gleich im Laden seinen Joint raucht, ist egal. Dass der Coffeeshop durch die Hintertür mit großen, unkontrollierbaren Mengen beliefert wird, ist ein Widerspruch, mit dem Hollands Behörden offenbar leben können.
Die „holländische Linie“ hat als Ziel, den Konsum weicher Drogen zu entkriminalisieren, der Vermischung der Drogenmärkte entgegenzuwirken und eine Störung der öffentlichen Ordnung durch den Straßenhandel zu verhindern. Diese Praxis hat sich seit Jahren bewährt und ermöglicht Cannabisfans auch aus dem benachbarten NRW, ihren Joint im repressionsfreien Raum zu genießen. Kann es da wünschenswert sein, dass ein allgemeines Rauchverbot die Errungenschaften einer erfolgreichen Drogenpolitik untergräbt? Diese Frage stellen sich nicht nur die oppositionellen Grünen.
Auch bei den Sozialdemokraten (PvdA), immerhin Koalitionspartner in Hollands neuer Mitte-Rechts-Regierung, will angesichts des Vorhabens des Gesundheitsministers keine rechte Freude aufkommen. Klinks Kabinettskollegin, Innenministerin Ter Horst (PvdA), hatte noch Tage zuvor öffentlich erklärt, „dass wir in den Niederlanden mit den Coffeeshops ordnungspolitisch eine Einrichtung dulden, die wir bestens im Griff haben“.
Das finden auch die für die Kontrolle der „legalen“ Dealer Verantwortlichen vor Ort. „Wir sind mit unserer Coffeeshop-Politik sehr zufrieden“, sagt etwa Ab Klinks christdemokratischer Parteifreund Hubert Bruls, Bürgermeister der grenznahen Stadt Venlo. Die Stadt versorgt Tag für Tag bis zu 4.000 Drogentouristen aus Deutschland mit Stoff. Venlo hat vor gut zwei Jahren nach Beschwerden über Lärmbelästigung und Kriminalität in der Innenstadt den überwiegenden Teil des Cannabisverkaufs an die Peripherie verlegt und so die Kundschaft weitestgehend ruhig gestellt. „Oase“ nennt sich das Kifferparadies am ehemaligen Grenzübergang Schwanenhaus. „Wir wollen nicht, dass die jungen Leute in der Öffentlichkeit rauchen, das haben wir durch die Duldung der Coffeeshops doch gerade unterbinden wollen“, sagt Bruls. „Sollte der Minister mit dem geplanten Rauchverbot in Coffeeshops durchkommen, mache ich mir ernsthaft Sorgen, dass wir hier in Venlo die Konsumenten bald wieder auf der Straße haben. Und dort machen sie nur Ärger. Mal abgesehen davon, dass Kiffen im öffentlichen Raum gesetzlich untersagt ist.“
„Uhr wird zurückgedreht“
Hans Josef Kampe glaubt nicht, dass die Initiative des Gesundheitsministers eine Chance hat. „Die Oase in Venlo wäre dann ja nur noch ein Supermarkt“, sagt der Geschäftsführer des CDU-Kreisverbandes Viersen. „Das wäre die Stunde der leider immer noch aktiven illegalen Dealer, und dieser Sumpf ist weitaus schlechter zu kontrollieren als die geduldeten Coffeeshops“, sagt Kampe, der zugleich Vorsitzender der Drogenberatung der Stadt am Niederrhein ist. Obwohl er kein Anhänger der holländischen Drogenpolitik sei und ein entsprechendes Verbot im Prinzip begrüßen würde, habe er, so Kampe, vollstes Verständnis für die Nöte des Venloer Bürgermeisters. „Der Druck auf Venlo ist groß“, so Kampe. Die Stadt bemühe sich, wieder attraktiver zu werden für die täglich tausenden von Einkaufstouristen aus dem Nachbarland. „Unkontrollierter Drogenkonsum im Freien, häufig auch durch Minderjährige aus unserer Region, bringt mit Sicherheit Probleme und ruft nur mehr Polizei auf den Plan.“
Für Coffeeshop-Betreiber im grenznahen Gebiet steht fest: Die Konservativen in Regierung und Stadtverwaltungen wollen sie vom Hals haben. „Denen geht es doch gar nicht um Arbeitnehmerschutz, wie sie vorgeben“, empört sich etwa der Inhaber eines Drogencafés in Maastricht. „Hier soll die Uhr zurückgedreht und unser erfolgreiches Modell EU-Richtlinien geopfert werden“, sagt der Unternehmer, der nicht namentlich genannt werden möchte. Jederzeit könne ihm der Bürgermeister den Laden dichtmachen, sagt er. Das passiere jedem, der gegen die strengen Auflagen verstößt, auf die sich Stadtverwaltung und Coffeeshopbetreiber in Maastricht geeinigt haben. Der geringste Verstoß, wie etwa der Verkauf an Minderjährige, weswegen jüngst gegen das Coffeeshopschiff Mississippi ein dreimonatiges Verkaufsverbot verhängt wurde, führe zum Entzug der Lizenz. Der Maastrichter Kaufmann hofft nun auf die Koalition der Vernünftigen im Parlament. Die Volksvertreter haben bereits mehrheitlich signalisiert, dass sie eine Ausnahmeregelung für Coffeeshops favorisieren.