Geschrei ums Geld

Im Kreis Heinsberg klagt die erste Familie aus NRW gegen die Stichtagsregelung beim Elterngeld. Die Bezirksregierung rechnet mit weiteren Klagen von Eltern, deren Kinder vor 2007 geboren wurden

VON KATHARINA HEIMEIER

Das Elterngeld wird zum Gerichtsfall: Beim Sozialgericht Aachen ist die landesweit erste Klage gegen die Stichtagsregelung eingegangen. Eingereicht hat sie Familie Lukowsky aus Hückelhoven (Kreis Heinsberg). Ihre Tochter Annabele wurde am 7. Juli 2006 geboren, einen Anspruch auf maximal 14 Monate Elterngeld haben Familien erst bei einer Geburt ab dem 1. Januar 2007. „Damit haben wir ein Problem“, sagt Jan Lukowsky. Juristisch wird die Klage mit dem „Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz“ begründet, so Gerichtssprecher Heinfried Tintner.

Ab dem 1. Januar bis zu Annabeles erstem Geburtstag müsse seine Familie das Elterngeld bekommen, findet Vater Lukowsky. An den Erfolg der Klage glaubt er allerdings nicht: „Das Gericht wird die Klage abweisen müssen.“ Doch das Scheitern ist bereits einkalkuliert. „Letztendlich wollen wir vor das Bundesverfassungsgericht.“ Ein Urteil des höchsten deutschen Gerichts ist auch das Ziel seines Vereins Initiative Geboren 2006, der bereits knapp 200 Mitglieder hat.

Lukowskys Klage ist laut Gerichtssprecher die erste Klage dieser Art am Sozialgericht Aachen. Dass sie die letzte bleibt, ist aber unwahrscheinlich. „Die Spitze ist noch nicht erreicht, da wird noch was kommen“, prophezeit Ulla Lütkehermölle von der zuständigen Bezirksregierung Münster. Dort sind bisher rund 100 Widersprüche gegen die Festsetzung des Elterngeldes eingegangen, 75 davon gegen die Stichtagsregelung. Wird ein solcher Widerspruch abgelehnt, steht der Gang vor Gericht offen.

Diesen Weg will auch der 31 Jahre alte Ingenieur Thorsten Ostermann mit seiner Frau und seinem im September geborenen Sohn Björn gehen. Die Aachener Familie ist zurzeit dabei, die Klage vorzubereiten. „Wir finden die Regelung ungerecht“, erklärt Ostermann. Er befürchtet zudem einen Nachteil für seine Frau, wenn Björn ein Geschwisterchen bekommen sollte und sie in der Zwischenzeit nicht arbeitet. „Wenn sie für das erste Kind kein Elterngeld bekommt, würde sie für das zweite Kind nur einen Sockelbetrag bekommen.“

Auch nach Ansicht von Monika Bunte, der Vorsitzenden des Verbandes der Familienfrauen und -männer in NRW, benachteiligt die Neuregelung des früheren Erziehungsgeldes Frauen. „Sie werden schlechter als Männer behandelt“, kritisiert sie. Da Frauen im Allgemeinen schlechter bezahlt würden, bekämen sie während der Elternzeit auch weniger. Berechnungsgrundlage ist das vor der Geburt erzielte durchschnittliche Erwerbseinkommen, von dem 67 Prozent gezahlt werden. Die Klage vor dem Sozialgericht Aachen begrüßt Bunte. „Auf den Stichtag konnte sich niemand einrichten.“

Jan Lukowsky hat sich auf einen langen Kampf eingestellt. Annabele wird vermutlich schon zur Schule gehen, wenn der letzte Richterspruch fällt. Lukowsky rechnet mit sechs bis acht Jahren. Aber Aufgeben kommt nicht in Frage: „Ich gehe bis zum Ende.“