: Der Nichtschwimmer
Der Hamburger Rapper Dendemann lebt künstlerisch von der Beobachtung, anstatt von der Rap-typischen Meinungsstärke. Kommerziell hat ihm das nie viel Erfolg gebracht – dafür ist die Anerkennung in der Szene groß. Derzeit tourt er mit neuer Platte
Wenn Dendemann auf der Bühne den Mund aufmacht, dann klingt es nach einer Sirene im Stimmbruch. Ein Röhren, kehlig, rau, mit sehr hohem Wiedererkennungswert. Da steht er dann mit schlabbrigem Pulli und weiter Hose und dirigiert mit ausgestrecktem Arm die Menschen in der ausverkauften Hamburger Fabrik. Auf den ersten Blick ist alles wie immer auf einem Hip-Hop-Konzert. Dann bemerkt man die Schultern, die bei Dendemann eher geschmeidig nach vorne fallen. Und man bemerkt Reime wie diese hier:
Ich bin kein Rapper, nur ein Blues-Sänger auf Abwegen / Bin kein Rebell, nur ein Fußgänger auf Radwegen / Bin kein hartnäckiger Wadenbeißer / Bin kein Freischwimmer, ich bin Bademeister.
Bademeister? Gut, es gibt viel Protzerei im Hip-Hop und abheben muss man sich als Rapper immer irgendwie. Aber als Bademeister steht man eher wie eine Witzfigur da. Selbstironisch, das soll es auch sein. Aber trotzdem ist es Dendemann auch ernst: Jo, schau mir das Geschehen vom Beckenrand an / Bis ich – sagen wir mal: Zu checken anfang.
„Endlich Nichtschwimmer“ heißt dieser Song in dem viel von dem steckt, was Dendemann ausmacht. Der Hamburger lebt künstlerisch vom Beobachten und der Reflexion darüber. Er ist einer, der Hip-Hop mit dem Anspruch betreibt, sich selbst gerecht zu werden, anstatt mit Meinungsstärke zu brillieren. Dendemann sucht nicht die Differenzen, sondern die Gemeinsamkeiten mit seinem Publikum. Das macht ihn greifbar – und nicht allzu einfach.
Gemessen an Verkaufszahlen und TV-Auftritten war er nie ganz oben mit dabei im Rap-Geschäft. Dafür gibt es viel Anerkennung von Kollegen und Kritikern, frenetisch manchmal und immer auch über die engen Grenzen der Szene hinaus – von „souveränem Rhythmusgefühl“ ist dann die Rede oder von „fantasievollen Wortspielen“. Außerdem gibt es eine Fangemeinde, in der die meisten zwar nicht nach harten Hip-Hop-Fans aussehen, Dendemann aber trotzdem die Stange halten, obwohl er lange nichts veröffentlicht hat. Vergangenen Herbst erschien dann sein Album „Die Pfütze des Eisbergs“. Morgen in Hameln beginnt der dritte Teil der dazugehörigen Tour.
Neben der markanten Stimme sind es die Texte, um die es bei Dendemann geht. Dabei könnte es am Alter liegen, dass Dendemann deutlich mehr Tiefgang hinbekommt, als üblich: Dendemann ist 32 und ist seit Mitte der 1990er Jahre im Geschäft. Er hat die ganzen Debatten um die verschiedenen Spielarten im deutschen Rap miterlebt und doch immer nur an seinem Stil gefeilt. Vielleicht fragen ihn deshalb Journalisten gerne wie einen Elder-Statesman nach dem Zustand der Szene. Darauf sagt er dann: „Das tollste an der heutigen Szene ist, dass sie sich eingestanden hat, keine zu sein. Man darf alles.“
Selbst war er Ende der 1990er vertreten auf dem Soundtrack von Fatih Akins Spielfilmdebut „Kurz und schmerzlos“, rappte als Gast unter anderem für Fettes Brot und bei Fischmobs „Susanne zur Freiheit“ und hatte seine größten Erfolge zusammen mit DJ Rabauke als Hip-Hop-Duo Eins Zwo. 2003 trennten sich die beiden. Dendemann machte weiter als (Gast-)Rapper auf Tourneen, trat auf und schrieb Stücke für seine neuen Platte.
Einen gelungenen Text, sagt Dendemann, kriege man, „wenn man es schafft, alles beschissen zu finden und gleichzeitig Menschenfreund zu sein. Das, worüber du dich aufregst bei anderen, hast du alles schon selbst gemacht. Man kann sich immer auch an die eigene Nase fassen.“ Durchaus eine oppositionelle Haltung gegenüber den Gangster- und Bitches-Rappern, die über Selbstzweifel grundsätzlich erhaben sind. Wobei es Dendemann nicht um die Opposition geht. Eher darum, weder mit noch gegen den Strom schwimmen zu müssen: Ich bin durch damit, es hat sich ausgeschwommen / Könnt’ ich dafür endlich mal ’n Applaus bekommen? Klaus Irler
Konzerte im Norden: 11. 4. Hameln, Sumpfblume; 26. 4. Braunschweig, Meier Music Hall; 27. 4. Vechta, Gulfhaus; 24. 6. Hurricane-Festival, Scheeßel