: CDU-Frauen rausgepöbelt
Nach der Macho-Debatte in der Lübecker CDU gibt es den ersten Rücktritt. Allerdings nicht von Oliver Fraederich, genannt Titten-Olli. Nach dessen Äußerungen hat die sportpolitische Sprecherin Anja Beidatsch jetzt das Handtuch geworfen
VON ESTHER GEISSLINGER
„Ihr seid doch nur wegen eurer Titten hier“, diesen Satz sagte Oliver Fraederich, CDU-Abgeordneter in der Lübecker Bürgerschaft, zu zwei Kolleginnen. Mehr als ein Jahr ist das her. Öffentlich und damit zum Skandal wurde der Satz erst vor kurzem. Nun verließ ein CDU-Mitglied die Ratsfraktion – nicht etwa der 28-jährige Fraederich, sondern Anja Beidatsch (39), sportpolitische Sprecherin der Fraktion. Der Verdacht, dass ihr Rücktritt etwas mit der Debatte um die sexistischen Sprüche und der miesen Stimmung in der Fraktion zu tun hat, liegt nahe.
Frank Sauter, CDU-Kreisverbandsvorsitzender, will das nicht bestätigen: Mit Beidatsch selbst habe er nicht gesprochen, schriftlich habe sie ihm nur mitgeteilt, „persönliche Gründe“ hätten eine Rolle gespielt. In der Lokalzeitung Lübecker Nachrichten wird Fraederich mittlerweile nicht nur als „Titten-Olli“ bezeichnet. Sauter wird darin auch auch mit dem Satz zitiert, Beidatsch müsse sich „in den Konflikten der letzten Zeit außerordentlich unwohl gefühlt haben“. Gegenüber der taz relativierte der CDU-Mann: Er habe gemutmaßt, Genaues wisse er nicht. Beidatsch ist zurzeit im Urlaub.
Für Sauter ist die Angelegenheit um die Sprüche des Oliver Fraederich beendet: „In großem Einvernehmen“ hätten Partei und Fraktion sich geeinigt, einen Schlussstrich zu ziehen. Fraederich erhielt Ende März eine Parteirüge, der sich alle Gremien anschlossen. „Wir teilen die Auffassung, dass solche Äußerungen nicht in die Politik oder sonst wohin gehören“, sagte Sauter. „Aber man muss auch einen Ausrutscher verzeihen, wenn es eine ehrliche Entschuldigung gibt.“
Fraederich selbst hatte vorher bereits gesagt, mehr als entschuldigen könne er sich nicht. Es gab Stimmen, die seinen Rücktritt forderten, darauf war er nicht eingegangen. „Soweit mir bekannt ist, hat er einen Rücktritt nie erwogen“, sagte Sauter.
Der Streit um den richtigen Umgang mit dem sexistischen Spruch und seinem Urheber war quer durch die Partei gegangen. Der Lübecker Stadtpräsident Peter Sünnenwold (CDU) sagte, er missbillige das Verhalten Fraederichs. Die jetzt zurückgetretene Anja Beidatsch, die auch stellvertretende Vorsitzende der Frauen-Union war, erklärte: „Das, was Herr Fraederich von sich gegeben hat, trifft einen als Frau persönlich. Es degradiert einen, und das können wir nicht tolerieren.“ Die frauenpolitische Sprecherin der CDU-Ratsfraktion, Astrid Stadthaus-Panissié, sagte dagegen, der „junge Kollege“ Fraederich habe eine „launig-provokative Bemerkung zum Quorum“ gemacht. Dieses „parteiinterne Steuerungsinstrument“ werde auch „gerade von jungen Frauen häufig kritisch betrachtet“. Das Thema sei fraktionsintern behandelt worden, die Einmischung der Frauen-Union sei unnötig.
Doch offenbar reichte jemand die innerparteiliche Auseinandersetzung nicht aus: Öffentlich wurde die Affäre erst, als Unbekannte der Fraktion der Grünen ein Protokoll der Frauen-Union zuspielten, in denen die Fraederich-Äußerung zitiert wird. Die Oppositions-Partei zögerte nicht lange: „Da wir uns nicht dem Vorwurf aussetzen wollen, uns am Verschweigen der zugespielten Kenntnisse zu beteiligen oder diese bis zum kommenden Kommunal-Wahlkampf taktisch zu behandeln, sehen wir nur die Möglichkeit, unsererseits diese Vorgänge umgehend öffentlich anzuzeigen“, so die Fraktion etwas gewunden in einer Pressemitteilung in der sie den Rücktritt der gesamten CDU-Spitze forderte. Denn die hätte die Äußerungen „monatelang aktiv von der Öffentlichkeit ferngehalten“. Bei einer CDU-Klausursitzung im Februar soll das Thema „Gegenstand heiterer Männerrunden gewesen sein“.
Inzwischen wollen aber auch sie zur Tagesordnung zurückkehren: „Es ist alles gesagt“, sagte Fraktionsvize Bernd Möller den Lübecker Nachrichten. Auf den Platz, den Anja Beidatsch in der Bürgerschaft freimacht, rückt ein Mann nach.