Moralischer Partikularist

betr.: „Antisemitismus unter Juden?“

Micha Brumliks gegen Alfred Grosser gerichtete Kritik daran, „ein konsequent moralischer Universalist“ zu sein, führt mich zu der Frage, ob der Verfasser selbst etwa ein konsequent moralischer Partikularist ist und was eine solche Position impliziert. Hieße das, alle Mittel zu billigen, die (angeblich!) der eigenen Gruppe dienlich sind? Wo lägen da die Grenzen?

Wie wäre von diesem Standpunkt aus die „grundsätzlich völkerrechtswidrige, im Einzelnen menschenrechtswidrige Besatzungs- und Siedlungspolitik“ (Brumlik) des Staates Israel zu beurteilen? Wer hätte das Recht, sie zu kritisieren? Nur derjenige, der „die Folgen seiner Vorschläge“ bzw. seiner Position selbst zu tragen hat? Folgt aus einer solchen Forderung nicht konsequenterweise die nach Abschaffung der Menschenrechte auf Grund von deren Universalität? Ist – immer konsequenterweise – dann nicht das Recht des „Anderen“ überhaupt hinfällig, vor allem bei Interessenkonflikten? Droht als Folge nicht die gerade im politischen Sektor verheerende, weil aussichtslose Situation, dass Verhandlungen von vornherein als unmögliches Entgegenkommen hingestellt und empfunden werden? Könnte man von einer solchen Position aus überhaupt noch das Wohl der eigenen Gruppe erfolgreich vertreten? Mit diesen Überlegungen beziehe ich mich auch auf das Interview mit Moshe Zuckermann, „Bis zum letzten Blutstropfen“, taz vom 13. 12. 06).

URSULA TIMPTE, Düsseldorf