Herthas Hoeneß-Hörigkeit

Der Bundesligist entlässt nach einer Niederlagenserie seinen Trainer Falko Götz. Neu im Amt ist Amateurtrainer Karsten Heine. Mehr Bescheidenheit würde dem Verein in Zukunft sicher guttun

AUS BERLIN JOHANNES KOPP

Falko Götz hatte es wahrscheinlich schon am Ostersamstag geahnt. Nach dem glücklich errungenen Unentschieden gegen Bielefeld wollte der Hertha-Trainer die Frage, was er in der kommenden Woche mit der Mannschaft zu tun gedenke, nicht beantworten. Er bat: „Jetzt lassen sie mich doch erst einmal dieses Spiel analysieren.“

Zu diesem Zeitpunkt hatte Götz schon realisiert, dass Manager Dieter Hoeneß um Distanz bemüht war. Hoeneß kam während des Spiels nicht wie üblich hinunter auf die Bank, um von dort die Schlussphase zu verfolgen. Und direkt nach der Partie weigerte er sich, zum Trainer Stellung zu beziehen. Gestern Morgen verkündete Hoeneß nach acht sieglosen Spielen in Serie und nur fünf Punkten Abstand zu den Abstiegsplätzen wenig überraschend die Entlassung von Falko Götz und Co-Trainer Andreas Thom. Neu im Amt sind der Hertha-Amateurtrainer Karsten Heine und Sven Kretschmer. Hoeneß begründete die Entscheidung damit, dass das Verhältnis zwischen Götz und Mannschaft nicht mehr „hundertprozentig intakt“ gewesen sei. Eine höfliche Formulierung. Wie sehr er untertrieben hatte, machte Hoeneß kurz darauf deutlich: Er sagte, Kapitän Arne Friedrich hätte ihm erklärt, dass er die Entscheidung für richtig halte. Normalerweise pflegen Spieler solche Beschlüsse nicht zu kommentieren.

Hoeneß mühte sich ansonsten redlich um eine stilvolle Verabschiedung von Götz und Thom: „Wir haben ihnen nichts vorzuwerfen, es ist einzig der Erfolg ausgeblieben.“ Fehlender Erfolg ist beileibe keine Nichtigkeit bei Hertha. Seit Jahren lechzt der Verein nach Höhenluft. Eine Selbstverständlichkeit für einen Hauptstadtclub, so die Überzeugung der Vereinsführung. Spätestens seitdem man sich Ende der Neunzigerjahre überraschend für die Champions League qualifizieren konnte, fühlt sich Hertha zu ganz Großem berufen. Hoeneß warf für seinen Traum von der Deutschen Meisterschaft mit Geld um sich; etliche Millionen wurden für Spieler investiert, deren sportliche Leistungen aber nur einen Bruchteil der ausgegebenen Summen wert waren. Heute drücken den Verein mehr als 46 Millionen Euro Schulden. Auf dem Transfermarkt ist man nahezu manövrierunfähig. Man zählt zum Kreis der Schnäppchenjäger.

Hertha versuchte zuletzt, aus der Not eine Tugend zu machen. Vor dieser Saison proklamierte man, mit jungen Spielern aus dem eigenen Nachwuchs herzerfrischenden Offensivfußball im Stile der Nationalmannschaft spielen zu wollen. Mit Trainer Falko Götz, der ehemals als Nachwuchskoordinator die gute Jugendarbeit bei Hertha mit aufgebaut hatte, sah man sich personell optimal besetzt. Der gute fünfte Platz nach der Hinrunde ließ die Euphorie ins Unermessliche schnellen. Der Größenwahn war wieder erwacht. Spieler sprachen Anfang Februar von der Champions League. Und Hoeneß frohlockte voreilig: „Eine schlechte Saison kann es gar nicht mehr werden.“

Wieder einmal lag er falsch. Nach der Niederlagenserie in den letzten Wochen spürte Hoeneß, dass im Verein ein Machtvakuum entstanden war. In solchen Fällen springt Hoeneß immer ein. Er übernahm selbst das Steuer auf dem schlingernden Hertha-Schiff. Und Götz nickte seine Entscheidungen brav ab. So war es auch vergangene Woche, als Hoeneß Pantelic zum Sündenbock der Misere machte und ihm eine mangelhafte Arbeitseinstellung vorwarf. Götz saß daneben und nickte. Autorität strahlte er nicht mehr aus.

Insofern hat Hoeneß an der Demontage von Götz bereits seit längerem mitgewirkt. Nun soll es der Amateurtrainer Karsten Heine richten. Eventuell sogar auf längere Sicht, wie Hoeneß erklärte. Eine interne Lösung, die Geld spart. Aber der langjähriger Hertha-Angestellte dürfte kaum weniger hoeneßhörig sein als Götz. Ob es ihm gelingt, die Anerkennung des Teams zu gewinnen, ist äußerst fraglich. Sein künftiger Assistent Sven Kretschmer war bislang als Talentscout im Verein tätig. Im Internet ist zu Kretschmer unter der Rubrik „Erfolge als Spieler“ eine Zeile notiert: 1-mal Platz 18, 1991 mit Hertha BSC. Zumindest er kann von neuen großen Erfolgen träumen. Bescheidenheit wird Kretschmer bei Hertha aber gewiss nicht etablieren.