Dem Egoismus ein Ende

Die Regierungschefs der Nordländer treffen sich in Kiel und entdecken viele gemeinsame Interessen. Und einigen sich darauf, dass alle ein bisschen zurückstecken müssen – schließlich gehe es um die Zukunft des Nordens insgesamt

Norddeutschland kann mehr als um Fördermittel betteln: Die Ministerpräsidenten und Bürgermeister der Nordländer Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein, Hamburg, Niedersachsen und Bremen einigten sich bei ihrer gestrigen Konferenz darauf, sich ihrer Stärken zu besinnen und ihre Interessen zu bündeln.

Letztere sind demnach vielfältig: von Hochschulpolitik bis Autobahnbau, von Küstenwache bis Deicherhöhung. „Der Norden denkt bisher zu kleinteilig“, sagte Gastgeber Peter Harry Carstensen. Beispiel Infrastruktur: Zahlreiche Straßen und Bahnlinien stehen auf dem Wunschzettel der Länder, darunter die A 20, die A 22, die Elbquerung, der Ausbau der A 1 sowie die Y-Trasse von Hannover nach Bremen und Hamburg. Über den Verkehrswegeplan würde es „Jahre und Jahrzehnte dauern“, diese Projekte umzusetzen, sagte Carstensen.

Die Ministerpräsidenten sprachen daher über andere Formen der Finanzierung, etwa durch „Public Private Partnership“. Gute Idee, fand der ebenfalls anwesende Hans Heinrich Driftmann, Vorsitzender des Unternehmenskuratoriums Nord. Eine Rangfolge der Projekte wollte Carstensen nicht erstellen, es gehe um ein Gesamtkonzept.

Umstritten bleibt die Fehmarnbelt-Querung: Zwar habe sich der Brückengegner Harald Ringstorff, Landeschef von Mecklenburg-Vorpommern, zuletzt „etwas differenzierter geäußert“. Aber bei der Konferenz sei das Projekt kein Thema gewesen: „Wir haben nur beim Essen darüber geredet“, so Carstensen. Auch Studiengebühren standen nicht zur Debatte: Der Kieler Koalitionsvertrag verbiete es, darüber zu reden – nicht jeder unter Carstensens Ministern sah das in der Vergangenheit so streng. Insgesamt wollen die Länder im Bereich Uni und Forschung enger zusammenarbeiten. So könnten Schwerpunkte gebildet und Fakultäten vernetzt werden.

Carstensen gab zu, dass es stets auch um Egoismus jedes Landes gehe. Doch im Interesse des Nordens müssten alle nun Nachteile in Kauf nehmen. So dürfe es bei Schiffsunglücken keine Grenzen geben. Der schleswig-holsteinische Ministerpräsident sprach sich dafür aus, dass die Küstenwache in Cuxhaven sich ein Jahr einarbeiten soll, dann sollen Regeln für den Ernstfall entstehen. Schleswig-Holstein will die Hoheit in eine Hand legen. Deichbau und Küstenschutz müssten aber nationale Aufgaben bleiben – angesichts der drohenden Klimaänderung brauche es dafür mehr Geld. ESTHER GEISSLINGER