ein zappelnder rinderfladen von GERD DEMBOWSKI
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„Maradona hält sich für einen Gott, und das könnte einer der Gründe für seine Probleme sein“, vermutet Héctor Pezzella, Leiter des Sanatoriums, in dem der unzweifelhaft beste Fußballer aller Zeiten nach Fressanfällen und anderen Entzugserscheinungen bis gestern fast zwei Wochen verbrachte. Von Depressionen nach familiären Konflikten und finanziellen Unregelmäßigkeiten ist die Rede. Sein Sieg über Drogen und Übergewicht scheint leider nur ein vorübergehendes Stadium auf dem Weg zum Harald Juhnke Südamerikas zu sein.

Wie schön spielte er sich in meine Jugend, als mein Onkel mir Maradona-Schuhe schenkte und ich in ihnen gleich mein erstes Vereinstor erzielte. El Diego war schuld, dass mich als Junge Argentinien interessierte, nicht mehr das dummklumpendeutsche Stückwerk namens Nationalmannschaft. Der kleine Mann aus Argentinien war fleischgewordener Hinterhoffußball. Ich werde nie vergessen, wie er 1986 in der eigenen Hälfte gegen England den Ball bekam und Fußball kurzzeitig zum Individualspiel erklärte, indem er fünf Gegenspieler dematerialisierte und mühelos einnetzte. Nie hatte ein Alleingang mehr Würde, eben weil er so respektlos leichtfüßig war. Und wie anarchoschelmisch war doch drei Minuten zuvor sein Tor mit der „Hand Gottes“, das alle Kids auf der Wiese nachahmten. Maradona war Gott.

Mit bolivianischem Verblödungspulver und skurrilen Freunden ging es bergab. Als gelockter Suffpummel posierte Maradona penetrant prollig mit seinem Che-Tattoo und später platt im hakenbekreuzten George-Bush-Shirt, um US-Amerikanern pauschal die Kretze zu wünschen. Was für abgetakelte Oldiebands Dorfzelte und Provinzturnhallen sind, wurde für Diego die WM 2006. Gab es Argentinien im TV, hopste ein maradonaähnliches Gezummsel durch die Fanreihen. Immer schwenkte die Kamera bei Toren hin zu diesem zappelnden Rinderfladen, zu seiner Hand auf Herz bei der Hymne, seinem Handschlag mit Fifa-Ungetüm Blatter, zum Mienenablesen in kniffligen Situationen.

Der plötzlich erschlankte und chirurgisch entstellt wirkende Maradona las Emotionen vom Teleprompter ab. Oder war es gar nicht Maradona? Vergangenheitsbeschönigende Fachleute sind überzeugt: Maradona wurde vor langer Zeit von Rache schmiedenden Engländern ausgetauscht. Schon beim Fifa-Kongress 2001 in Buenos Aires wuchtete er sein waberndes Selbst seelenleer und roboterhaft durch die Hotelgänge. Man sah ihm eine mysteriöse Last an, die so schwer schien, als hätten sich alle fünf englischen Spieler, die er 1986 bei seinem Alleingang vernascht hatte, wieder in ihm materialisiert.

Moment, Engländer? Haben sie Gewalt über sein Hirn, steuern ihn fern oder halten den echten Diego gehirngewaschen gegen das, was mal sein Willen war, in einem Pygmäendorf gefangen? Es ist eine gemeine Lüge, dass Maradona sich für Gott hält. Fiese Engländer brauchen lediglich einen Vorwand, um heimlich seine Hirnbatterie auszutauschen. Damit sie weiterhin ihr niederträchtiges Unwesen mit ihm treiben können. Wenn er demnächst eine Abmagerungskur in der Schweiz macht, werde ich ihn befreien und endlich alles aufklären. Versprochen.