: Fahnden mit dem Passfoto
Die Regierung will das Passgesetz ändern. Künftig soll die Polizei bei der Verbrechersuche automatisch auf digitalisierte Passbilder zugreifen können. Umstritten ist in der großen Koalition nur noch, was mit Fingerabdrücken geschehen soll
VON CHRISTIAN RATH
Die Bundesregierung will ermöglichen, dass die Passregister künftig von der Polizei für biometrische Fahndungen genutzt werden können. Das digitalisierte Passbild soll der Polizei auf jeden Fall zum automatisierten Abruf zur Verfügung stehen. Umstritten ist in der Koalition nur noch, ob auch die Fingerabdrücke der Bevölkerung im Passregister gespeichert werden. Dabei handelt es sich nicht um vage Pläne. Das entsprechende Gesetz könnte schon im Mai in Kraft treten. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung, der der taz vorliegt, wurde als „besonders eilbedürftig“ deklariert.
Konkret geht es um das geplante „Gesetz zur Änderung des Passgesetzes“. Der Entwurf stammt vom 5. Januar diesen Jahres. Das Gesetz schafft die rechtlichen Grundlagen für die zweite Generation der sogenannten elektronischen Reisepässe, die ab November ausgegeben werden.
Schon seit Ende 2005 enthalten neue Reisepässe einen Chip, auf dem das Passbild in digitalisierter Form gespeichert ist. Ab kommenden November soll dieser Chip zusätzlich noch die digitalisierten Abdrücke der zwei Zeigefinger enthalten. Bei Passkontrollen soll so sichergestellt werden, dass die kontrollierte Person nicht den fremden Pass einer ähnlich aussehenden Person vorlegt.
Bisher hieß es stets, die biometrischen Merkmale dienten nur der Identifizierung des Passinhabers und könnten gar nicht zu Fahndungszwecken benutzt werden. „Die auf dem neuen Reisepass enthaltenen biometrischen Merkmale sind ausschließlich auf dem Pass gespeichert“, erklärte im Mai 2005 Innenminister Otto Schily auf taz-Anfrage. Der Aufbau einer zentralen oder dezentralen Fingerabdruck- und Fotodatei aller Passinhaber schien damit ausgeschlossen zu sein.
Tatsächlich werden die digitalisierten Passbilder aber schon heute bei der Passbehörde gespeichert. „Für die elektronische Speicherung der Bilder verwenden die Kommunen in der Regel das JPG-Format“, erklärte das Innenministerium gestern gegenüber der taz.
Diskussionen gab es es darüber bisher nicht, wohl weil auch früher ein papiernes Passbild im Passregister aufbewahrt wurde. Schon heute können Polizei und andere Sicherheitsbehörden Informationen aus dem Passregister verlangen.
Im digitalen Zeitalter ergeben sich aber neue Fahndungsmöglichkeiten. Software zur Gesichtserkennung kann bald auch die Aufnahmen von Überwachungskameras biometrisch auswerten, zum Beispiel nach einem Terroranschlag. Mit diesem biometrischen Steckbrief könnten dann die 5.300 Passregister der Republik nach der zugehörigen Person durchforstet werden.
Die Bundesregierung will in ihrem Entwurf zur Änderung des Passgesetzes jedenfalls die elektronische Übermittlung digitalisierter Passbilder erlauben. Vermutlich ist diese heute schon üblich, denn in der Entwurfsbegründung heißt es: „In der Praxis waren Zweifel aufgetaucht, ob die Übermittlung auch elektronisch erfolgen darf.“
Künftig soll die Polizei auf die elektronischen Passbilder sogar „im automatisierten Verfahren“, also ohne Mitwirkung der Passbehörden, zugreifen können. Ursprünglich wollte die Bundesregierung dies nur für die Aufklärung von Verkehrsordnungswidrigkeiten zulassen, etwa um die Identität eines „geblitzten“ Rasers schneller überprüfen zu können.
Auf Wunsch des Bundesrats hat die Bundesregierung am 28. Februar zugesagt, dass der Online-Zugriff auch für die Aufklärung aller Straftaten möglich ist.
Umstritten ist in der Koalition allerdings noch, ob auch die digitalisierten Fingerabdrücke in den Passregistern gespeichert werden – und damit der Polizei zur Verfügung stehen. Derzeit heißt es im Gesetzentwurf der Bundesregierung: „Die bei der Passbehörde gespeicherten Fingerabdrücke sind spätestens nach der Aushändigung des Passes an den Passbewerber zu löschen.“ Die CDU/CSU will diesen Passus allerdings streichen. Die SPD will ihn beibehalten.
Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) hat jüngst im Interview mit dem Handelsblatt große Sympathie für die Forderung der Union erkennen lassen. „Nur damit nicht vernetzt werden kann, können wir die Daten doch nicht vernichten“, sagte Schäuble.