: Ein Rat für Schäuble
Der Innenminister begrüßt das neue Gremium, andere finden dessen Teilnehmer problematisch
AUS BERLIN CIGDEM AKYOL UND LUKAS WALLRAFF
„Es ist ein historischer Moment“, sagte Bekir Alboga, Dialogbeauftragter der Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion (Ditib). „Bei der Geburtstagsfeier unseres Propheten haben wird die frohe Botschaft verkünden können“, so Alboga, der auf einer Feier mit tausenden Teilnehmern in der Kölnarena bekanntgab, dass sich nach jahrelangem Gerangel die vier großen muslimischen Organisationen Deutschlands zu einem einheitlichen Koordinierungsrat zusammengeschlossen haben. „Wir sind damit dem Wunsch der Muslime und den Erwartungen der Öffentlichkeit nachgekommen, eine Einheit zu bilden“, sagte Alboga der taz. Mit dem Zusammenschluss will der Koordinierungsrat der Muslime (KRM) künftig der Ansprechpartner für die Bundesregierung sein, der bisher fehlte.
Gründungsmitglieder des neuen Koordinierungsrats sind die vier großen islamischen Dachverbände: die Ditib, der Islamrat, der Verband der Islamischen Kulturzentren (VIKZ) und der Zentralrat der Muslime (ZMD). Das Amt des Sprechers wird jeweils für sechs Monate von einem der Vorsitzenden der vier Organisationen wahrgenommen, die den Koordinierungsrat bilden. Erster Vorsitzende des Koordinierungsrats wird Ayyub Axel Köhler, der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime. Für Köhler geht mit dem Zusammenschluss „ein Traum in Erfüllung“. Wer will, kann sich demnächst an den Sprecher des Koordinierungsrats wenden und ihn zum islamischen Religionsunterricht oder zur Kopftuchdebatte befragen. Der Sprecher nimmt Kontakt mit den drei anderen Vorsitzenden auf, und gemeinsam will man dann versuchen, eine einheitliche Haltung zu finden. Auch in jedem Bundesland will der Koordinierungsrat eine Anlaufstelle einrichten. Das Bundesinnenministerium hatte bei der ersten Islamkonferenz kritisiert, dass für die 3,2 Millionen Muslime in Deutschland ein zentraler Ansprechpartner fehle. Weil sich das jetzt ändert, begrüßt Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) auch den Zusammenschluss. Dies sei ein „wichtiger und guter Schritt“, sagte ein Sprecher Schäubles. Die Gründung des neuen Verbands für vier große muslimische Organisationen sei „sicher zum richtigen Zeitpunkt“ erfolgt, um die Gespräche bei der nächsten Islamkonferenz am 2. Mai „positiv zu inspirieren. Auch Grünen-Parlamentsgeschäftsführer Volker Beck begrüßt den Zusammenschluss. „Ein zentraler Verband kann ein wichtiger Beitrag sein, um den Dialog zwischen Staat und Gesellschaft zu verbessern und zu intensivieren“, erklärt Beck. Bisher aber bleibt es umstritten, ob der Koordinierungsrat wirklich den Anspruch erheben kann, repräsentativ zu sein, da die meisten Muslime in Deutschland gar nicht organisiert sind.
Dass der neue Koordinierungsrat als größte organisierte muslimische Interessenvertretung auch zum Hauptansprechpartner werden könnte, bereitet manchen Kritikern Sorgen. Als einen „Schlag ins Gesicht“ bezeichnet Ezhar Cezairli, Gründungsmitglied einer Gruppe säkularer Muslime und Teilnehmerin der Islamkonferenz, den Zusammenschluss. „Der Innenminister will doch einen aufgeklärten Islam“, kritisiert sie und fährt fort: „Ich bezweifle, dass die Dachverbände ein aufgeklärtes Weltbild vertreten.“ Argumente, die Ayyub Axel Köhler nicht gelten lässt. „Der Koordinierungsrat hat zunächst einmal den Anspruch, für alle seine Mitglieder zu sprechen – das sind die Moscheegemeinden vor Ort“, erklärte er der taz. „Dort spielt sich das islamische Leben in Deutschland ab.“ Auf die Frage, ob denn der neue Koordinierungsrat alle 3,2 Millionen in Deutschland lebenden Muslime überhaupt vertreten könne, antwortete Köhler: „Es besteht die Möglichkeit für alle Gemeinden, sich den Verbänden anzuschließen.“
Der Islambeauftragten der SPD, der Bundestagsabgeordneten Lale Akgün, gefällt der Gedanke nicht, vom Koordinierungsrat offiziell vertreten zu werden. „Es sind Kräfte dabei, die sehr, sehr konservativ sind – zum Beispiel im Zentralrat oder im Islamrat, in dem Milli Görüs vertreten ist“, erklärt Akgün. Sie habe ein Problem damit, dass ein Verband, der vom Verfassungsschutz beobachtet wird, nun Hauptansprechpartner der Politik werde. „Das bereitet mir schlaflose Nächte“, sagte Akgün der taz.