: Musical-Missklänge
Musik vom Band: Mittels neuer Song-Arrangements und betriebsbedingter Kündigungen halbiert der Bochumer Dauerbrenner „Starlight Express“ seine Orchesterbelegschaft
VON PASCAL BEUCKER
Jahrelang spielten sie beflissen Songs mit Titeln wie „Ein Licht ganz am Ende des Tunnels“. Nun sind etliche Musiker des Bochumer „Starlight Express“ kräftig verstimmt. Denn per betriebsbedingter Kündigung hat die Geschäftsführung fast die Hälfte des Orchesters des Rollschuhdauerspektakels wegrationalisiert. Mit den Disharmonien muss sich jetzt das Bochumer Arbeitsgericht beschäftigen. Die ersten Güteverhandlungen sind gescheitert. Heute finden die nächsten zwei statt.
„Die Orchesterreduzierung ist Teil der ständigen Verbesserungen und Weiterentwicklungen, die wir seit mehreren Jahren vornehmen“, sagte Thomas Krauth, Geschäftsführer und Produzent Starlight Express GmbH. Dazu zählten die Einführung der Trickskater, der Pyrotechnik und das neue Lichtdesign. „Zur Weitererhaltung des Musicals sind neben diesen Ausgaben auch Einsparungen erforderlich“, begründete er gegenüber der taz den Personalabbau.
Tatsächlich wurde kräftig abgespeckt: Aus drei Keyboardern wurden zwei; aus drei Trompetern, drei Saxophonisten und zwei Posaunisten jeweils einer; Percussion und Horn fielen komplett weg. Insgesamt schrumpfte das Orchesterensemble von siebzehn auf neun Musiker.
Den Zuschauern des Rollschuh-Spektakels dürfte das allerdings kaum auffallen – weder optisch noch akustisch. Denn das Orchester ist eine Etage unterhalb der Showbühne platziert. Und die wegrationalisierten Instrumente wurden digital ersetzt. So wie schon seit längerer Zeit die Geigenklänge nur noch vom Band kommen. Trotzdem betonte eine Sprecherin: „Das Wort Playback vermeiden wir.“
Heutzutage gäbe es nun einmal technisch ganz andere Möglichkeiten als bei der Premiere, so Produzent Krauth: „Die musikalischen Arrangements der bestehenden englischen Neuproduktion wurden unserem Kreativ-Team in die Bochumer Show übertragen und bieten einen zeitgemäßen, modernen Sound.“
Knapp neunzehn Jahre rollt die „Weltmeisterschaft der Eisenbahnen“ nunmehr durch das speziell für die Inszenierung gebaute Theater am Bochumer Stadionring. Seit der Premiere am 12. Juni 1988 haben sich mittlerweile über 11,5 Millionen Menschen den Traum eines Kindes vom größten Eisenbahnrennen der Welt angesehen. Damit gilt das Rollschuh-Spektakel als erfolgreichstes Musical der Welt an einem Standort. Zu den insgesamt über 7.500 Vorstellungen kamen mehr Zuschauer als in jede Show am New Yorker Broadway oder im Londoner Westend.
Die jetzt vorgenommene Stellenreduzierung betrachtet die Geschäftsführung als alternativlos. Verhandlungen zwischen Geschäftsführung und Betriebsrat über die Vermeidung der Kündigungen blieben ergebnislos: „Es sind in gemeinsamen Gesprächen keine Alternativen gefunden worden“, sagte Krauth. „Diese Modernisierungen sind notwendig, damit das Musical weiter tragfähig bleibt“, so Krauth. „Die Erhaltung des Stückes und damit der Erhalt von knapp 350 Arbeitsplätze ist unser vordringliches Anliegen.“ Der Betriebsrat war bis Redaktionsschluss nicht zu einer Stellungnahme bereit.