: Lichtgeschmack, nach Stinktier
Biertest mit Werner Böck – einem der weltweit seltenen Diplom-Bier-Sommeliers
Es wird ein lustiger Termin, das steht schon bei der telefonischen Verabredung mit Werner Böck fest. Und tatsächlich: Auf einem Biertisch in seinem Hobbyraum in der kleinen schwäbischen Ortschaft Meitingen-Waltershofen, nördlich von Augsburg, hat der Diplom-Bier-Sommelier ein ganzes Bataillon an Bierflaschen aufgebaut. Dahinter steht der Mann mit einem klitzekleinen Abzeichen am Trachtenhemd. Es ist die Auszeichnung „Diplom-Bier-Sommelier“ und von dieser Sorte geprüfter Bier-Experten gibt es weltweit deutlich weniger als 100.
Bis zu seinem Ausscheiden bei einem großen Elektronikkonzern war der 54-Jährige Softwareentwickler. „Dann kam ein Freund zu mir, der hatte gehört, dass man ein Seminar belegen und danach Bier-Sommelier werden kann. Da haben wir uns kurzerhand angemeldet.“
Am liebsten trinkt Werner Böck privat dunkles Bier. Dass es früher im Süden Deutschlands fast ausschließlich das dunkle gegeben hat, liegt an den kalkhaltigen Böden. Denn mit hartem Wasser konnte eben nur Dunkelbier gebraut werden. Das hat sich erst geändert, als Methoden zur Wasserenthärtung entwickelt wurden. Bei Granit- und Schieferböden wie in Tschechien hatte man schon früh auf die hellen Biere, wie zum Beispiel das Pils, gesetzt. Wer nun freilich glaubt, ein Bier-Sommelier sei den ganzen Tag über im Delirium, der irrt gewaltig. Sobald man Mitglied ist im Verband der Bier-Sommeliers, unterliegt man einem strengen Ehrenkodex. Ein Rausch mit Ausfällen in der Öffentlichkeit würde umgehend zum Ausschluss aus dem Verband führen.
Nach einer kurzen Einleitung bittet Diplom-Bier-Sommelier Böck zum ersten Test. Ein Pils aus dem Hochschwarzwald wird geöffnet. Es folgt der Riechtest. Die Reporter-Bewertung „riecht nach Getreidesilo“ übergeht er taktvoll, schließt die Augen und kommt zu dem Schluss: „Riecht frisch, irgendwie wie Morgenwiese, ein bisschen Kräuter dahinter, wenn man es etwas schwenkt.“ Aha, Morgenwiese. So, so. Es folgt Teil zwei, der erste kleine Schluck. Spritzig, das erkennt auch der Reportergaumen auf Anhieb. Beim Sommelier heißt das „gute Rezenz“. Wieder schließt der Mann die Augen, er schmeckt und erklärt: „Milder Hopfengeschmack, der hinterherkommt, hinten an der Zunge leicht bitter.“
Es folgt das nächste Pils, das ungeübte Riechorgane und Gaumen an eine Mosterei erinnert, den Experten aber im Geruchstest eindeutig von grünem Apfel sprechen lässt. Beim Trinktest kommt dann „durchaus noch etwas roter Apfel“ hinzu. „Süß beim Antrunk, bitter beim Abtrunk, sehr rezent.“
Und da sitzen wir also gut und gerne zwei Stunden, die Zeit vergeht wie im Flug, die benutzten Gläser werden immer mehr und so nach und nach breitet dieser einstige EDV-Spezialist sein Wissen aus, das immer wieder aufhorchen lässt. Was es nicht alles für Bierfehler gibt und die Bewertungen der Fachleute sind auch nicht ganz ohne. So bekommt ein großes weltweit verbreitetes Bier die Bewertung „Lichtgeschmack, nach Stinktier“. Ein anderes wird wie folgt bewertet: „Kanalgeruch, stinkend.“ Es folgt ein überaus beliebtes ur-bayerisches Bier aus der selbsternannten Hauptstadt der Lebensfreude. Das ist bei einer Prämierung auf dem letzten Platz gelandet, schweflig sei es, meinte ein Juror knallhart, der gar nicht wusste, dass die Brauerei, die dieses vom Geschmacksbewerter als „absolut ungenießbar“ eingestufte Bier braut, der Hauptsponsor war.
Die weltweit beliebtesten Biere kommen nicht etwa aus Bayern, nein, sie kommen aus Belgien. Bei einigen guten Lambic-Bieren ist es so wie mit dem bayerischen Bockbier: Sie werden umso wertvoller, je länger sie gelagert werden. Der BierSommelier aus Bayerisch-Schwaben lässt sich freilich davon nicht beeindrucken, ihm munden die bayerischen Biere nach wie vor am besten. Eines der am höchsten prämierten Biere kommt ganz aus der Nähe seiner Heimatgemeinde. Es ist ein dunkles Bier, das mit dem hochbegehrten „European Beer Award“ und den „World Beer Cup“ ausgezeichnet wurde.
Doch es gibt auch noch die Geschichten von den weniger guten und trotzdem sehr beliebten Bieren, die Geschichten von den bewussten Bierfehlern. Eines der weltweit beliebtesten Hopfengetränke hat einen solchen Fehler kultiviert. In den grünen Flaschen setzt sehr schnell ein Zersetzungsprozess ein, ganz anders als in den sonst handelsüblichen braunen Flaschen, die weniger UV-Licht durchlassen. Nun wollten aber die Biertrinker das Brauerei-frische und noch nicht von Zersetzung befallene Bier einfach nicht, erst wenn es einige Wochen unterwegs war, mundete es den Konsumenten.
„Heute wird das Bier schon vor der Auslieferung UV-bestrahlt, die Leute mögen’s halt so“, erklärt der Fachmann. Die Geschmäcker sind nun mal sehr unterschiedlich.
KLAUS WITTMANN