: Kandidaten im Knast
In Libyen inhaftierte bulgarische Krankenschwestern sollen bei den ersten Wahlen zum EU-Parlament antreten
BERLIN taz ■ Die fünf in Libyen inhaftierten und zum Tode verurteilten bulgarischen Krankenschwestern sollen bei den Wahlen zum Europäischen Parlament am 20. Mai 2007 kandidieren. Das kündigte der Vorsitzende der Partei Ordnung, Recht und Gerechtigkeit, Jane Janev in einem Interview mit dem bulgarischen Sender Darik Radio an. Heute soll die Liste der Wahlkommission offiziell zur Registrierung vorgelegt werden.
Die Krankenschwestern, ein palästinensischer Arzt sowie sein bulgarischer Kollege Zdravko Georgiev waren 1999 in Libyen angeklagt worden, mehr als 400 Kinder in einem Krankenhaus in Bengasi absichtlich mit dem HI-Virus infiziert zu haben. Während das Verfahren gegen Georgiev mit einem Freispruch endete, wurden die anderen Angeklagten 2004 zum Tode verurteilt. Im Dezember 2006 wurde der Schuldspruch von einem Berufungsgericht bestätigt. Derzeit ist gegen die Krankenschwestern noch ein weiteres Verfahren anhängig. Sie werden beschuldigt, mit ihrer Aussage, ihre Geständnisse seien unter Folter zustande gekommen, die verhörenden Polizeioffiziere verleumdet zu haben.
Ob die Schwestern und Zdravko Georgiev, der auf Platz sechs der Liste firmiert, jedoch wirklich für eine Kandidatur zugelassen werden, ist fraglich. Denn das bulgarische Wahlgesetz sieht vor, dass ein Wähler oder Kandidat für ein Abgeordnetenmandat mindestens die letzten drei Monate vor der Wahl seinen ständigen Aufenthaltsort in Bulgarien oder einem anderen EU-Staat gehabt haben muss.
Doch ob die Schwestern nun antreten oder nicht – einen positiven Effekt hat der Vorstoß bereits jetzt. Die Europäische Union, die sich bislang gerade nicht durch ein übermäßiges Engagement für die Inhaftierten hervorgetan hat, kommt jetzt langsam aus der Reserve. So hat das EU-Parlament angekündigt, unter dem Motto „Bringt sie nach Hause!“ einen dringenden Aufruf an die Adressen von Tripolis, der europäischen Regierungen und der Europäischen Kommission zu richten, die Inhaftierten endlich frei zu lassen.
In Bulgarien selbst, wo sich viele Menschen seit Monaten mit zahlreichen Aktionen für die Krankenschwestern einsetzen, stößt deren Nominierung nicht überall auf Zustimmung. „Dieser Schritt ist rein symbolisch und das zu einer Zeit, wo der Moment des Symbolismus bereits vorbei ist“, schreibt die Zeitung The Sofia Echo. Auch die Mehrheit der Wähler ist eher skeptisch. Laut einer Umfrage, die die Wochenzeitung Kapital in ihrer jüngsten Ausgabe veröffentlichte, glauben 23 Prozent der Befragten, dass die Nominierung den Betroffenen helfen könne; 25 Prozent meinen, dass dieser Schritt ein starkes Signal nach außen sende; 52 Prozent hingegen glauben nicht, dass die Nominierung einen positiven Effekt haben werde. Wählen gehen wollen 34 Prozent der Befragten.
Bei der ersten Wahl zum EU-Parlament kämpfen rund ein Dutzend Parteien um 18 Mandate. Hoffnungen auf die meisten Sitze kann sich derzeit die regierende Sozialistische Partei (BSP) machen. BARBARA OERTEL