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Archiv-Artikel

Wo auch der Joschka ein und aus ging

Vor dreißig Jahren gegründet, berühmt geworden als autonome befreite Zone, heute ein von allen gehätscheltes und gelobtes Veranstaltungszentrum: die Frankfurter Batschkapp. Eine ehemalige Heimstätte alternativen und linken Lebens in Hessen – und Eliteschmiede für das neobürgerliche Deutschland. Lob von allen? Niemals!

VON KLAUS WALTER

Eine Legende, diese Batschkapp: In Frankfurt und Umgebung war sie schon immer mehr als nur ein Rockclub. So oder ähnlich beginnen dieser Tage die Grußadressen und Gratulationskuren zum dreißigsten Geburtstag einer Frankfurter Institution. Wahr ist aber: Die Batschkapp war schon mal mehr als nur ein Rockclub. Als solcher, das ist unstrittig, läuft die Konzerthalle in Frankfurts Norden wie geschmiert.

Stolz verkündet die Homepage des Hauses: „Aus dem autonomen Kulturzentrum der Anfangsjahre ist ein professioneller Dienstleistungsbetrieb geworden.“ Damit könnte eine Würdigung auch ihr Bewenden haben, schließlich haben in den vergangenen Jahrzehnten zahllose Klitschen, Clubs, Buchläden und Biobauernhöfe den Weg alles Irdischen hinter sich gebracht – den vom autonomen Kultur- zum professionellen Dienstleistungsbetrieb. Kontinuität im Wandel, wird dann gern gesagt, oder: Nur wer sich ändert, bleibt sich treu.

Der Fall Batschkapp liegt ein bisschen komplizierter. Wie unterm Mikroskop liegen hier die politischen Konflikte und Kulturkämpfe zwischen Alten Linken, Neuen Linken, Poplinken und Exlinken zur Begutachtung bereit. Die Homepage gibt Auskunft: „Der Club wurde 1976 gegründet, um eine ‚autonome und linke Gegenkultur‘ zu etablieren.“ Dazu gründeten führende Genossen des „Revolutionären Kampfs“ (RK) – unter diesem Nom de Guerre firmierten die Frankfurter Spontis – einen Verein (Vereinsregister: VR 6639) und kauften ein Haus am Bahndamm im Stadtteil Eschersheim.

In dessen Erdgeschoss war bereits der „Elfer“ zu Hause, damals das Wohnzimmer der Szene. Im Saal im ersten Stock dümpelte eine Diskothek vor sich hin. Der Erwerb eigener Räume – für eine linksradikale Gruppe ein ungewöhnlicher Schritt – war nötig geworden, weil die Infrastruktur der Spontiszene zu bröckeln begann. Der Häuserkampf war verloren, die besetzten Westendvillen, bis Mitte der Siebziger eine Art temporär autonome Zone, waren geräumt, viele Häuser abgerissen. Gleichzeitig gerät die politische und kulturelle Hegemonie der Spontilinken an der Universität ins Wanken, der Asta garantiert nicht mehr automatisch Cashflow, Versammlungsräume und Druckmaschinen für die Bewegung.

Beschleunigt wird der Erosionsprozess durch die Vorboten des sogenannten Deutschen Herbstes – die Besetzung der bundesdeutschen Botschaft in Stockholm durch die RAF im Frühjahr 1975, in deren Verlauf sie zwei Angehörige der Botschaft ermordete, vor allem aber den Tod Ulrike Meinhofs in Stammheim am 9. Mai 1976. „Ulrike, das war Mord“, hieß es, denn die Szene war davon überzeugt und demonstriert dies am Tag darauf – trotz Verbot.

Die Straßenschlacht in der Innenstadt fordert viele Verletzte auf beiden Seiten. Der Polizeiobermeister Jürgen Weber wird von einem Molotowcocktail getroffen und überlebt mit sechzigprozentigen Hautverbrennungen nur knapp. Vierzehn Angehörige der Spontiszene werden verhaftet, ihnen droht eine Mordanklage. Unter den Festgenommenen befinden sich auch Joschka Fischer und sein später mehrfacher Trauzeuge Ralf Scheffler.

Zwar werden die Beschuldigten bald wieder freigelassen, aber die Grundfesten einer stark auf identitäre Konzepte setzenden Politik sind durch die Beschleunigung der Gewaltspirale nachhaltig erschüttert. Die Markenzeichen der Spontis, ihre sprichwörtliche „Politik der ersten Person“, die Militanz, ihr Glaube an die Tat als solche, sie verlieren an Strahlkraft. Der Glamour einer Revolte, die sich den Slogan „We want the world and we want it now“ aus einem Song der Doors aneignet und daraus eine Zeitung macht – Wir wollen alles –, strahlt nicht mehr und droht endgültig zu verblassen.

Das hat auch damit zu tun, dass die handelnden „ersten Personen“ nach sechs, acht, zehn Jahren müde werden, erschöpft, alles im Leben zur Politik zu erklären und mit Bedeutung aufzuladen. Wenn die dreißig in Sicht kommt, wem soll man da noch trauen? Und wenn dann noch dem Bafög-Leben, besetztem Haus und gelegentlichen Ladendiebstählen die Grundlagen verlorengehen … Aus dieser Krise heraus entsteht die Batschkapp, und niemand hätte sich träumen lassen, dass sie ein Meilenstein sein sollte auf dem langen Weg der linksradikalen Opposition an die Spitzen der Gesellschaft.

Zunächst tagt in der entkernten Disco das Spontiplenum – ein informelles Gremium ohne, so der Anspruch, festgeschriebene Hierarchien und Privilegien. Hier wird erbittert über verbliebene Möglichkeiten einer linksradikalen Politik gestritten. In der Auseinandersetzung zwischen RAF, der sogenannten Bewegung 2. Juni und anderen illegalen Gruppen auf der einen und einem wenig zimperlichen Staatsapparat auf der anderen Seite droht die Spontibewegung zerrieben zu werden.

Viele von denen, die in jenen Jahren auf Fahndungsplakaten abgebildet, im Knast oder schon tot waren, hatte man persönlich gekannt. „Gerade weil unsere Solidarität den Genossen im Untergrund gehört, weil wir uns so eng mit ihnen verbunden fühlen“, sagt Joschka Fischer 1976 beim Pfingstkongress des damals einflussreichen Sozialistischen Büros, „fordern wir sie auf, Schluss zu machen, die Bomben wegzulegen und die Steine wieder aufzunehmen.“ Die im Zeichen der „ersten Person“ hochemotionalisierten Diskussionen um Steine oder Bomben nehmen selbst gewaltförmige Züge an, Weinkrämpfe, Drohungen und Schlägereien gehören zum militant style, bloß dass es plötzlich bitter ernst wird.

Das RK-Plenum war mehr Stahlbad als diskursfreudiger Salon. Wer da durchkam, für den war der Hessische Landtag ein besseres Kaffeekränzchen, erst recht irgendein grüner Parteitag. Der informelle Charakter der Organisation vertrug sich gut mit der Ächtung sogenannter bürgerlicher Verkehrsformen, als da sind Ausredenlassen, Rücksichtnahme und ähnlicher Pipifax. Bei den Spontis gab’s keine Tagesordnung, keine Rednerliste, hier galt das Recht des Stärkeren. Und des Lautesten.

Wenn man öfter bei diesen Brüllshows dabei war, merkte man schnell, dass immer dieselben zu Wort kamen, dass die Abwesenheit formeller Hierarchien eine dekorative Camouflage war für um so autoritärere, männerbündische Strukturen im innersten Zirkel der antiautoritären Linken. „Von den stillschweigend als Leader Anerkannten gefasste Beschlüsse waren nicht mehr diskutierbar“: So ging’s zu beim RK, auch wenn das Zitat von Gabriele Rollnik und aus dem Buch „Nach dem bewaffneten Kampf“ stammt und den Führungsstrukturen der RAF gilt.

Was man aber nicht geglaubt hätte: Dass der harte Männerkern des RK eine Eliteschmiede sein könnte. Dreißig Jahre nach den Debatten um Steine oder Bomben sitzen die Revolutionäre aus der Batschkapp in Führungspositionen: Der Außenminister a.D. ist jetzt Professor, seine Universitäten waren die Straßen. Seine Genossen werden Botschafter, UNO-Beauftragte, Europaabgeordneter und Varietédirektor, Kabarettstar (R.I.P.), Gourmetkoch, oder sie erforschen die eigene Geschichte an renommierten Instituten. Einen trug die Lebensreise gar in die Chefredaktion der Welt, ein anderer steht dem Feuilleton der Frankfurter Rundschau vor.

Nur einer aus den ersten Jahren, eine Führungskraft schon immer, ist in der Batschkapp geblieben. Auf der Homepage posieren die Mitarbeiter des Clubs mit possierlichen Namensschildern vorm Bauch. Man erkennt den wichtigen Mann aus den Gründerjahren aber leicht: Auf dem Schild von Ralf Scheffler steht nämlich: „Chef“.

Ein solcher der Batschkapp ist Scheffler ungefähr so lange, wie Joschka Fischer Grünen-Chef ist, zum Chefsein braucht es keine demokratische Wahl oder einen offiziellen Titel. Seit 1977 steht Scheffler für Kontinuität im Wandel in der Batschkapp, auch darin seinem alten Freund aus der Putztruppe nicht unähnlich. Die Putztruppe? Ein loser Verbund sportbegeisterter Spontis, die sich bei Trainingsausflügen in den Taunus für den Nahkampf mit der Staatsmacht bei den samstäglichen Demonstrationen in der Frankfurter Innenstadt fit machten.

Heute ist Scheffler passionierter Fallschirmspringer, einen „passionierten Schläger“ darf man ihn nicht nennen. Das ließ er dem Focus per Gericht verbieten. Der Versuch der Justiz, die Putztruppe postum zu identifizieren, scheiterte erwartungsgemäß. Sie war in keinem Vereinsregister eingetragen, auch wenn jeder in der Szene sie kannte.

Nach einem kurzen, aber ästhetisch schmerzhaften Intermezzo als Abspielstätte linksalternativen Theaters (Brühwarm, Django Edwards, Karl Napps Chaos Theater) verpuppt sich die Batschkapp Ende der Siebziger ein weiteres Mal – und wird ein Rockclub. Und gerät mitten hinein in die Kulturkämpfe zwischen Punk und New Wave hier, Frankfurt City Blues Band und Teller Bunte Knete dort.

Wie in Berlin, Hamburg und dem Düsseldorf der Fehlfarben und Toten Hosen bringt Punk in Frankfurt jede Menge Putz. Hippiesjagen auf dem Flohmarkt, Bierflaschenschmeißen vor der Batschkapp. Identitätsstiftende, eigentlich harmlose Abgrenzungs- und Ablösungsrituale. Mit dem entscheidenden Unterschied, dass die politisch imprägnierten Rebellenhippies in Frankfurt resistenter sind als ihre Artgenossen in Restdeutschland.

Dass diese hedonistische Linke keineswegs bereit ist, ihre seit 1967 akkumulierte Macht über Definitionen und Räume, über Logistik und Infrastruktur so mir nichts, dir nichts an ein paar dahergelaufene Kurzhaarige weiterzureichen, versteht sich fast von selbst. Mangels Alternativen stellen die Spontis bis in die späten Siebziger das attraktivste Gegenmilieu der Stadt. Wer raus will aus dem Muff hessischer Vor- und Kleinstädte, landet bei den Desperados, für die Bild den abfällig gemeinten, aber für die Vorstadtjugendlichen umso verlockenderen Namen „Politrocker“ erfindet. (Und verlockend sind auch die Politrockerbräute.) Länger als anderswo bleiben die Frankfurter Spontis im Besitz von Politik und Musik, Sex, Drogen, Straßenfights, Medien und Locations.

Auf eine derart formierte wertkonservative, inzwischen den Status eines urbanen Machtfaktors anvisierende Szene trifft also plötzlich das Gerücht namens Punk. Von aggressiven Umgangsformen ist die Rede, von spuckenden und tretenden Typen mit sicherheitsnadeldurchbohrten Visagen. Attitüden und Haltungen, die zwar strukturell den rebellischen Erfahrungen der rockistischen Altspontis ähneln, in ihren Erscheinungsformen – Haare, Ästhetik, Künstlichkeit etwa – diesen jedoch diametral entgegengesetzt sind.

Diesen Widerspruch muss die Szene auflösen. Aus Gründen des Machterhalts müssen die Herren der subkulturellen Hegemonie, die Hippies in Control, die Infragestellung ihres Terrains durch eine neue Szene, die ihrerseits ein Monopol auf harte, aggressive Musik & Attitüden beansprucht, bekämpfen und abwehren.

Dies geschieht auf drei Arten – erstens durch Ignoranz: Man behauptet seine eigene Biografie als allgemein gültige Matrix von Rebellion. Entweder es läuft nach unserem Muster, oder es läuft gar nicht. Die Ignoranz wird flankiert von der (Nicht-)Rezeption von Punk. Zweitens durch Ausgrenzung. Um Punk pauschal unter Nazi-Verdacht stellen zu können, kommen Fotos von Siouxsie und Sid Vicious mit Hakenkreuzen ebenso gelegen wie Berichte von National-Front-Aktivisten bei Sham-69-Konzerten. Eric Claptons Flirt mit der National Front zur selben Zeit wird weniger ernst genommen. Der hatte schließlich den Sheriff erschossen. Drittens durch Integration. Nachdem der Angriff von Punk auf die Rockkulturindustrie abgewehrt ist, greift begütigend drückende Toleranz. Post festum wird Punk als erfrischendes Update der Rolling Stones eingemeindet. It’s only rock ’n’ roll, nicht wahr? Für die versöhnliche Lesart stehen die Toten Hosen und die Batschkapp, zwei deutsche Rockinstitutionen, die eine lange freundschaftliche wie geschäftliche Beziehung verbindet.

Patrick Orths Laudatio im Booklet der Batschkapp-Jubiläums-CD mit dem merkwürdig wellnessigen Titel „30 Jahre Hörgenuss“, bestätigt diesen Eindruck. Für seinen heutigen Job als Geschäftsführer von Jochens Kleiner Plattenfirma – so heißt die nicht so kleine Plattenfirma der Toten Hosen – hat sich Orth in der Batschkapp qualifiziert.

Unter dem Punknamen „Männlein“ war er als pubertierender Krawallbruder Teil einer in Frankfurt leider sehr kleinen und politisch leider mehrheitlich unterbelichteten Jugendbewegung, die sich Hippiebashing, Zerstörung von Pissoirs und die Beschriftung von frisch gestrichenen Kulturzentrumswänden mit Edding-Stiften zum Programm gemacht hatte. 1981 ist Männlein einer der vierzehnjährigen Punks, die Politrocker in den Mittdreißigern wie Ralf Scheffler zur Weißglut bringen.

Scheffler ist ja Chef und muss mit ansehen, wie die Batschkapp plötzlich umkämpftes Terrain wird, wie fremdartig aussehende Jüngere seinen angestammten Claim streitig machen. Vorübergehend herrscht in der Batschkapp eine leidlich friedliche Koexistenz der Popkulturen. Da spielt heute Ina Deter („Neue Männer braucht das Land“) und morgen Malaria („Kaltes klares Wasser“), gestern Merlins Fantasy Farm und übermorgen Deutsch-Amerikanische Freundschaft. Und wer war noch mal „Dein Kopf ist ein schlafendes Auto“? Orths Laudatio bringt die Frontlinien von damals in Erinnerung. Der Ton aber signalisiert altersmilde Versöhnung, ja, ja, wir waren ja alle mal jung und brauchten den Putz.

Hin und wieder klingt es nach den unaufgeforderten Versöhnungsangeboten Exlinker an die bundesdeutsche Zivilgesellschaft, die jedoch umkippen können in Demutsgesten und Ergebenheitsadressen. Die Frontlinien? Männlein über den Pflasterstrand (informeller Chef: Daniel Cohn-Bendit): „Für alle U-35: Das war die lokale Hippiepostille, vulgo ‚Alternativzeitung‘, damals das Zentralorgan der in Frankfurt ‚Spontis‘ genannten Hippies.“ Im speziellen Frankfurter Frontverlauf heißt das: Wir Punks sind gegen Hippies, also auch gegen alles, was links ist. Also haben sie das Kind mit dem Bade ausgeschüttet, und zwar mit tragischen Folgen.

Das Kind sollte erwachsen werden und unter dem Namen Böhse Onkelz zu einer der populärsten deutschen Bands werden – beliebt im rechten Mainstream wie unter Neonazis. Im Oktober 1981 spielen die Onkelz in der Batschkapp, da sind sie sechzehn, siebzehn und noch Punks. Als „Punk von den Hippies kaputtgemacht wird“ – so Onkelz-Chef Stefan Weidner – mutieren die Frankfurter Jungs zu Skinheads und bauen sich mit Songs wie „Türken raus“ oder „Deutschland den Deutschen“ ihre Fangemeinde auf.

Fortan sind Onkelz-Shirts in der Batschkapp tabu. Als eine Horde Skinheads versucht, sich gewaltsam Zutritt zu verschaffen, kommt es zum Comeback der Putztruppe in antifaschistischer Mission. Unter den siegreichen Verteidigern ist auch der spätere Außenminister, vermutlich seine letzte politische Großtat.

In den frühen Achtzigern bleibt die Batschkapp Schauplatz von Kulturkämpfen, die allerdings von Beobachtern wie von Akteuren auf den depolitisierenden Begriff des Generationenkonflikts reduziert werden. Die paradoxe Konstellation: In der heterogenen Gruppe der Batschkapp-Macher verteidigen Ältere aus dem Spontiumfeld ein ästhetisch uninteressantes bis regressives Programm – like Punk never happened. Ästhetisch ambitionierte, von Punk & New Wave (neu) Angesteckte, versuchen, ihre Programmvorstellungen zu realisieren, und geraten dabei schon mal unter Fascho- oder, schlimmer noch, Intellektuellenverdacht.

Zwischen den Fronten gelingt es verdienten Noch-nicht-so-alt-Spontis wie Heiner Goebbels und Alfred Harth, mit der Reihe „Materialausgabe“ Brücken zu bauen zwischen den antagonistischen Lagern. In dieser Reihe kreuzt halb No New York in der Batschkapp auf, unter dem Label Avantgarde sind Punk und No Wave gelitten, Goebbels garantiert politische Verträglichkeit. Dabei wurde, klar, auch gelitten, was jeder weiß, der jemals Borbetomagus sah.

Spätestens 1984 entspannt sich die Lage. Die letzten Hippies haben sich die Haare geschnitten und eingesehen, dass Ulla Meinecke, Lake und Lage (Klaus) irgendwie alt aussehen gegen Gun Club, Violent Femmes, Aztec Camera und die Smiths. Erst recht gegen Trouble Funk, Prince Charles and the City Beat Band oder James Blood Ulmer. Ein Batschkapp-Dilemma: Schwarze Musik von Afroamerikanern, ohnehin immer unterrepräsentiert, verschwindet bald zugunsten schwarzer Musik von Schwarzkitteln. Mit Hiphop holt man sich die Migranten ins Haus, mit Techno die Drogen, sagt die sicherheitspolitisch motivierte Programmatik der Batschkapp – informell, versteht sich.

Mit der Blüte von Post Punk & New Wave erlebt der Laden seine besten Jahre, mit dem Verblühen dieser Strömungen beginnt der Niedergang. Schwer zu sagen, wann und warum die guten Bands nicht mehr in der Batschkapp spielten. Die Konzertagentur Powerline vertritt Blumfeld, Britta, Die Sterne, Tocotronic und andere wichtige deutsche Bands der vergangenen fünfzehn Jahre.

Obwohl es in Frankfurt kaum passende Hallen für diese Bands gab, machten sie – bis auf ganz wenige Ausnahmen – in all den Jahren immer einen Bogen um die Batschkapp. „Das waren immer schlechte Deals, wenig Interesse an der Musik, schlechte Betreuung der Künstler“, erklärt Wieland Krämer von Powerline und ergänzt: „Scheffler kam mir immer vor wie ein Beamter, der das verwaltet.“ Eine monopolistische Struktur habe er aufgebaut, zumal er auch noch den kleineren Club „Nachtleben“ an der Konstablerwache betreibt, und „Monopolstrukturen lähmen die Szene“. Gegen solche „Platzhirsche“ müsse man als Agentur ankämpfen, sagt Krämer.

Auch er kennt die Geschichten von Schefflers rabiaten Geschäftsmethoden, die in Frankfurt kolportiert werden. Dass er illegale Partys beim Ordnungsamt verpfiffen hätte, will der eine wissen, der nächste erzählt von Schlägerkommandos im Auftrag des großen Zampano. Solche Geschichten füttern den Scheffler-Mythos, der im Kleinen funktioniert wie der Fischer-Mythos im Großen. „Er betrachtet es wohl als Sport, es den Nochlinken zu zeigen“, meint Wieland Krämer.

Für Poplinke ist die Batschkapp längst „vermintes Gelände“ (Krämer), die interessanten Konzerte finden anderswo statt, viele Acts meiden Frankfurt inzwischen. Die Batschkapp hat sich inzwischen zu einer Hochburg von Gothic, Dark Wave und Metal entwickelt. In seiner Laudatio bescheinigt Patrick Orth dem Laden „eine klare Abgrenzung von rechts“. Ein Blick auf die Programmentwicklung spricht eher für das Gegenteil, flankiert von der gratismutigen Anti-P.C.-Rhetorik, wie sie in exlinken Kreisen wohl nie mehr aus der Mode kommen wird.

Wer fragt, ob es eine gute Idee ist, Rammstein-Konzerte zu veranstalten, erntet nur ein müdes Lächeln. Um „es den Nochlinken zu zeigen“, schreckt Scheffler vor keinem Konflikt zurück. 1997 unternimmt die Dark-Wave-Band Death In June eine Deutschlandtournee. Ihr Sänger Douglas Pearce ist ein erklärter Bewunderer von Leni Riefenstahl und Ernst Röhms SA. Zu den Pogromen in Rostock und anderswo ist folgender Kommentar von ihm überliefert: „Hast du jemals Tür an Tür mit Zigeunern gelebt? Ich kann den Groll, der in Ostdeutschland zum Vorschein kommt, verstehen.“

Ob man Death In June für eine lupenreine Nazi-Band hält oder nicht, fest steht, dass sie viele Freunde unter Neonazis hat. Die Tour der Band wird in ganz Deutschland boykottiert, auch ein Auftritt in Rüsselsheim wird nach Protesten abgesagt. Politisches Asyl bietet – die Batschkapp. Er habe sich das Material angesehen, lässt Ralf Scheffler wissen, und habe nichts Anstößiges entdeckt. Proteste gegen den Auftritt kommentiert er so: „Den Autonomen gehen die Feinde aus.“ Und Death In June’s Bandbus geht in Flammen auf.

„Aus dem autonomen Kulturzentrum der Anfangsjahre ist ein professioneller Dienstleistungsbetrieb geworden.“ So steht es auf der Homepage notiert. Darüber hinaus ist die Batschkapp der Ort einer ganz speziellen Metamorphose: der einer erfolgreichen Umwandlung der Spontilinken zur „linksradikalen Neuaristokratie“. Diese bestechende Formulierung verdanken wir dem ehemaligen Tempo-Autor Matthias Horx, heute Trendforscher, in den Siebzigern und frühen Achtzigern Redakteur des Frankfurter Pflasterstrands, des Motors und Sprachrohrs dieser Transformation. Rudolf Bahro meinte vermutlich diesen linksradikalen Neuadligen, als er von einer „alternativen Bourgeoisie“ sprach.

Linksradikal“ und „alternativ“ als Adjektive haben sich mit den Jahren erledigt. Heute schmückt sich die Batschkapp demonstrativ mit einem Lob des einstigen Erzfeindes: „So herrlich verrückt, so kreativ, so vielschichtig im Programm, so engagiert wie die Batschkapp ist wohl kein Szeneschuppen.“ Meint die Bild-Zeitung.

KLAUS WALTER, Jahrgang 1955, kennt die Frankfurter Spontiverhältnisse aus dem Effeff. 1981 war er Mitbegründer der Idiot-Ballroom-DJ-Nacht in der Batschkapp. Dortselbst legte er außerdem bis 1986 Platten auf. In den Achtzigern war er als Autor und Redakteur beim Pflasterstrand tätig.