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Archiv-Artikel

„Marktoptimistisch und wettbewerbsgläubig“

Die linke Grünen-Abgeordnete Bärbel Höhn kritisiert Wirtschaftskonzept von Fraktionschef Fritz Kuhn scharf

Von UH

BÄRBEL HÖHN, 55, ist seit 2006 Stellvertretende Vorsitzende der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Grüne.

taz: Frau Höhn, ist Ihr neues wirtschaftspolitisches Papier überflüssig? Fraktionschef Fritz Kuhn findet, dass es „nicht viel Neues“ enthalte.

Bärbel Höhn: In vielen Punkten stimmen wir natürlich überein mit dem Papier „Mehrwert – Grüne Marktwirtschaft“, das Fritz Kuhn und acht Fraktionskollegen verfasst haben.

Und warum musste dann ein eigenes Papier der Parteilinken sein?

Das Mehrwert-Papier war zu marktoptimistisch und wettbewerbsgläubig. In der Öffentlichkeit hat sich der Eindruck festgesetzt, dass die Grünen jetzt glauben, dass der Markt alles allein regeln kann.

Die Botschaft des Kuhn-Papiers war doch: Hallo FDP, wir sind bereit zur Koalition.

Das haben auch einige in der Partei so gesehen. Das wäre jedoch der falsche Weg. Wir müssen erst unsere eigenen Positionen formulieren – und danach geeignete Koalitionspartner suchen. Man muss aufpassen, dass man nicht schon in der Opposition den Eindruck erweckt, man würde wie in der Regierung notwendige Kompromisse schließen.

Wo sind nun Ihre Hauptkritikpunkte am Kuhn-Papier?

Die Umverteilung von unten nach oben muss ein Ende haben. Dazu gehört ein gesetzlicher Mindestlohn, die Vermögensteuer, ein Spitzensteuersatz von 45 Prozent.

Sie übernehmen ja sogar Attac-Forderungen wie eine Tobinsteuer, also eine Spekulationssteuer auf Devisen. Ist das wirklich mehrheitsfähig bei den Grünen?

Ich glaube schon, aber wir haben kein Papier gemacht, damit wir 90 Prozent der Grünen hinter uns haben. Wir wollen die Diskussion anstoßen.

Am Kuhn-Papier fiel auf, dass es kein Wort zur Steuerpolitik verliert. Bei Ihnen kommt die Steuerpolitik auch nicht systematisch vor.

Wir wollten gar keinen kompletten wirtschaftspolitischen Entwurf vorlegen – sondern vor allem den Eindruck korrigieren, dass die Grünen glauben, „die unsichtbare Hand des Marktes wird grün“.

Das Kuhn-Papier gibt es seit Herbst. Warum reagieren Sie erst jetzt?

Weil eine überarbeitete Fassung demnächst in der Fraktion beschlossen werden soll.

Aber durch das lange Schweigen haben die Linken doch Kuhn monatelang die Deutungshoheit in den Medien überlassen.

Die entscheidenden Diskussionen werden jetzt bis zum nächsten Parteitag im Herbst stattfinden.

Halten Sie es für guten Stil, dass Kuhn ein Papier verfasst und damit an die Öffentlichkeit geht, ohne es vorher mit der Partei zu diskutieren?

Es handelte sich nur um einen Text von einigen Abgeordneten. Viele in der Partei glaubten aber, es sei ein Fraktionspapier. Deshalb gab es Unmut.

INTERVIEW: UH