DAS DING, DAS KOMMT : Süße Idee
MIT EINER MARZIPANTORTE werden Soldaten der Fregatte „Lübeck“ zur Piratenjagd geschickt
Wo das Wort für die beliebte rosengewässerte Masse aus Mandeln und Zucker herkommt, ist unter Etymologen bis heute umstritten. Überhaupt ist nicht mal abschließend geklärt, wer es denn nun erfunden hat, dieses Marzipan: ein Lübecker, wie es die dortige Legende will? Ein Königsberger Hanseatenkollege? Oder doch, schon viel früher, ein Perser?
Für die letzte der drei Vermutungen gibt es wenigstens stichhaltige kulturhistorische Argumente. Als die Lübecker es nach einer Hungersnot erfunden haben wollen, Anfang des 15. Jahrhunderts, war das Marzipan im Orient längst bekannt. Wahrscheinlich ist es mit den Arabern über al-Andalus nach Europa gekommen. Vielleicht – vermutlich nicht, aber das lassen Sie sich mal von einem Etymologen erklären – ließe sich das Wort „Marzipan“ dann auf das persische „Marzban“ zurückführen: So nannte man im Sassanidenreich die Militärkommandeure in den Grenzregionen, die wichtige Handelsrouten sicherten.
Und das ermöglicht im vorliegenden Fall die schönsten Assoziationen. Um die militärische Kontrolle fern liegender Regionen geht es schließlich auch bei der „internationalen Friedensmission“, zu der die nach der Marzipanstadt benannte Bundeswehr-Fregatte „Lübeck“ am Montag in See sticht – von Wilhelmshaven aus. Im Rahmen der EU-Anti-Piraterie-„Operation Atalanta“ soll sie sechs Monate lang am Horn von Afrika und vor der Küste Somalias Seeräuber abschrecken.
Zum Abschied hat man sich in der Patenstadt der „Lübeck“ etwas Süßes ausgedacht. Mit einer zwei Kilogramm schweren, mit Zartbitterschokolade überzogenen und schließlich mit einem Foto der „Lübeck“ auf Esspapier versehenen Niederegger-Marzipantorte sollen die Marine-Soldaten geehrt werden, bevor sie zu ihrer voraussichtlich letzten Mission aufbrechen, berichten die Lübecker Nachrichten.
Wir haben auch eine süße Idee: Täte die Besatzung nicht gut daran, die Torte im Rahmen ihres Auftrags zur zweischneidigen Waffe zu machen, statt sie sofort zu verschlingen? Als Botschafterin der Stadt richtet die „Lübeck“ schließlich immer wieder „süße Grüße“ im Namen der Völkerverständigung aus: 2001 etwa brachte sie zur Vertiefung des „Mittelmeerdialogs“ eine Marzipantorte mit dem Holstentor und 22,5 Kilo des hanseatischen „Konfekts der Kalifen“ nach Algerien.
Man überreiche also im Namen der Völkerverständigung dem ersten aufgegriffenen Boot die Torte zum Gruß: Die hungrigen Somalier aber wären mit der „üppigen Magenbelastung“, so der Lübeck-Sohn Thomas Mann, überfordert – und kampfuntauglich gemacht. Geschickter kann kein Marzban eine Handelsroute sichern. Friedensmission erfolgreich. MATT