: Charme der Gegensätze
Das Spitzenduo Rupp-Erlanson der Bremer Linkspartei gibt sich harmonisch: Die Probleme der Fusion von WASG und Ex-PDS seien lange überwunden. Die Grünen fürchten nun um Stimmenverluste der angestrebten rot-grünen Koalition
VON BENNO SCHIRRMEISTER
Ostereier haben sie verteilt, auf Polizeirevieren und Krankenstationen, und rote Rosen am Weltfrauentag für die Opfer des neuen Ladenschlussgesetzes. Das Übliche halt, um Präsenz zu zeigen im Landtagswahlkampf. Einen echten Coup aber hat Die Linke am Donnerstag gelandet: Da wollte der Bremer SPD-Bürgermeister und Spitzenkandidat Jens Böhrnsen medienwirksam eine Unterschriften-Aktion eröffnen, direkt vorm Überseemuseum am Hauptbahnhof, um 18 Uhr. Anliegen: Die Forderung nach einem gesetzlichen Mindestlohn. Und dann waren plötzlich die Frauen und Männer mit den roten Westen und Plakaten da und wollten alle ihren Namen unter die Liste setzen. Das war zwar nur ein knappes Dutzend, aber doch so viele, dass ein Extra-Polizeikordon die ungebetenen Unterstützer zurückdrängen musste: Das war Die Linke, die mit Fug und Recht das Urheberrecht an der Mindestlohninitiative der Regierungspartei beansprucht: Der Bundestag hat die entsprechenden Anträge allerdings bisher stets abgelehnt – mit den Stimmen der SPD-Fraktion. Als „Wahlkampfgetöse“ bezeichnete entsprechend Monique Troedel, in Bremen auf Listenplatz 3 von Die Linke, den Vorschlag des Bremer Landeschefs, ein Mindestlohngesetz per Bundesratsinitiative auf den Weg zu bringen.
Die Linke nicht auf dem Schirm zu haben bei der Bremer Bürgerschaftswahl am 13. Mai wäre ein Fehler. Ihr Antritt sorgt strategisch gleich doppelt für Spannung: Einerseits ist der Verschmelzungsprozess von Wahlalternative Soziale Gerechtigkeit und Ex-PDS im Bund in vollem Gange. Bei der Bundestagswahl hatte man in Bremen knapp unter 9 Prozent gelegen. „Natürlich“, sagt Petra Pau, Linkspartei-Bundespolitikerin, „ist die Wahl in Bremen auch ein Test für uns“.
Andererseits stellt sich natürlich die Frage, ob sie nur enttäuschte SPD- und Nichtmehrwähler für sich gewinnt. Oder ob auch B90/Die Grünen Federn lassen müssen: Folgt man dem Grobraster, mit dem die Bundeszentrale für politische Bildung den Wahl-O-Mat gespeist hat, ergibt sich eine Übereinstimmung bei 20 von 30 Punkten zwischen Landes-Linke und Landes-Grünen. „Kann schon sein“, so deren Chefin Karoline Linnert, „dass die uns ein paar Stimmen klauen.“ Das ist aber nicht ihre Hauptsorge: „Was passieren kann“, sagt sie, „ist, dass sie reinkommen und es deshalb nicht mehr für Rot-Grün reicht.“
Wenn die Mehrheit reicht, gilt eine rot-grüne Koalition in Bremen als hochwahrscheinlich. Angeblich wurde sogar schon der CDU-Kandidat Thomas Röwekamp bei Fachanwaltstagen gesichtet, bemüht um Wiedereingliederung ins Berufsleben: Es wird bezweifelt, dass der Vizebürgermeister nach vier Jahren als Innensenator noch Lust hat, sich als Oppositionsführer zu erproben. Gleichzeitig gilt ein rot-rot-grünes Dreierbündnis als ausgeschlossen: Keine Bewerberin und kein Kandidat der Linksliste hat Erfahrung in parlamentarischer oder gar Regierungsarbeit. „Wenn ich in die Bürgerschaft kommen sollte, muss ich erst mal schauen, wo mein Platz und wo die Klos sind“, sagt denn auch Klaus-Rainer Rupp, und stellt klar: „Unser Ziel ist die Opposition.“ Wirken müsse man „über die Inhalte“. Rupp, von Beruf Ingenieur, hat Anfang 1992 die Landes-PDS mitgegründet und sie als Vorsitzender bislang fest im Griff gehabt: Als Spitzenkandidat erzielte er 1999 ein Achtungsergebnis von fast 3 Prozent, vier Jahre später war er wieder auf 1,7 abgestürzt.
Auf der aktuellen Wahlliste steht der elegante „K2R“ auf Platz 2, hinter dem üppig zottelbärtigen Peter Erlanson, Krankenpfleger, Diplom-Psychologe und WASGler der ersten Stunde: Ein Duo, das seine Prägnanz auch aus dem Charme der Gegensätze bezieht. Zugleich scheinen in ihm die Kontroversen dialektisch vermittelt und aufgehoben, die den vorgezogenen Verschmelzungsprozess in Bremen begleitet hatten: Um dem Spitzenpersonal heute noch einen Nachhall von den Streitereien des vergangenen Jahres zu entlocken, muss man allerdings lange bohren. „Ich hatte ja auch ursprünglich die freie linke Liste für die bessere Variante gehalten“, sagt dann beispielsweise Erlanson. Und Rupp räumt ein, dass ihm die Bremer WASG mitunter „auch ein bisschen zu chaotisch gewesen“ sei.
Zusammengefunden hat man einerseits in der Abgrenzung gegen die Führung der beiden Bundesparteien: Als die den renitenten Berliner WASG-Landesverband durch Absetzung des Vorstands maßregelte, machten Bremer WASG und Linke ihr Befremden über den autoritären Stil öffentlich – was ihnen nicht von allen als Großtat angerechnet wurde. Und als Berlin den Bremer WASG-Bundesvorstand und Linksfraktionär Axel Troost als Spitzenkandidat wärmstens empfahl, erteilte ihm der Landesparteitag eine Abfuhr. Zugleich entdeckte man die inhaltlichen Gemeinsamkeiten: Wahlprogramm und Wahlkampf-PR hat man basisdemokratisch in offenen Arbeitsgruppen festgezurrt. Herausgekommen ist ein unübersehbarer Auftritt in schrillem Rot: Nachdem eine erste Plakatwelle in erster Linie dazu diente, mit dem Slogan „Hier ist die Linke“ Präsenz zu zeigen, wird nun eine zweite Serie gehängt, die mit fettgedruckten Hochwert-Adjektiven auf kleingedruckte Inhalte hinweist: „Gleichberechtigt“, „Selbstbewusst“ und, weil es zum Thema Widerstand gegen Privatisierung kein einfaches Schlagwort gibt, „Wichtig für alle“: Auch Troost räumt ein, dass „sich da eine neue Identität artikuliert“.
In den vergangenen Jahren hat die heutige Linkspartei viel Geld in die Bremer Wahlkämpfe gebuttert: 200.000 Mark gab die PDS 1999, und die Zahl sorgte allgemein für Aufsehen. Vier Jahre später erhöhte die Parteizentrale den Betrag auf 120.000 Euro, und diesmal ist der Etat auf 150.000 Euro angewachsen. Dass es sich auch diesmal um eine Fehlinvestition handelt, das wettet in Bremen derzeit niemand.