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Archiv-Artikel

„Politik ist Aufgabe der Politiker“

Tomasz Dąbrowski

„Ich glaube, dass sich die taz mit ihrer nicht optimal formulierten Satire um die deutsch-polnischen Beziehungen nicht unbedingt verdient gemacht hat“

Ämter und Posten werden in Polen gerade häufig gewechselt, doch manchmal gibt es auch Überraschungen. Mit Tomasz Dąbrowski kam Anfang des Jahres ein neuer Direktor des Polnischen Instituts nach Berlin, der nicht die Konfrontation sucht, sondern den Dialog. Allerdings will er auch Dinge ansprechen, die bislang unter den Tisch fielen. „Kreative Provokation“ nennt das der 33-jährige Dąbrowski, der in Danzig und Kiel Germanistik und deutsche Literatur studiert hat. Polnisches, Deutsches und Europäisches soll auch in seinem Institut Programm sein. Dabei sind es gerade die Künstler, wie Dąbrowski meint, die den Politikern einen Schritt voraus sind. Noch aber, meint er, haben die Polen in Berlin ihr Putzfrauenimage nicht abgelegt.

Interview Christina Hebel und Uwe Rada

taz: Herr Dąbrowski, Sie geben der taz ein Interview.

Tomasz Dąbrowski: Ja.

Ihre oberste Dienstherrin Anna Fotyga, die Außenministerin der Republik Polen, hat die taz vor einiger Zeit mit dem nationalsozialistischem Stürmer verglichen.

Ja, in der Tat. Ich glaube aber, dass sich die taz mit ihrer nicht optimal formulierten Satire um die deutsch-polnischen Beziehungen nicht unbedingt verdient gemacht hat.

Zur Satire wurde die Kartoffelgeschichte erst durch das Nichterscheinen des polnischen Präsidenten auf dem Gipfel des Weimarer Dreiecks.

Das Polnische Institut ist vor allem für die Förderung der polnischen Kultur in Berlin zuständig. Die Politik ist die Aufgabe der Politiker.

Ihre Vorgängerin, Joanna Kiliszek, hat gesagt, die taz sei ihre Lieblingszeitung.

Erwarten Sie von mir etwa eine Liebeserklärung? Im Ernst, ich kenne das Zitat nicht. Die taz ist eine der wichtigsten Zeitungen, die wir in Berlin haben, und ich weiß die frühere und aktuelle Bedeutung der Zeitung für das deutsch-polnische Verhältnis zu schätzen.

Sie sind seit Anfang des Jahres der Direktor des Polnischen Instituts. Mit welchen Ideen sind sie nach Berlin gekommen?

Ich sehe das Polnische Institut als einen Mittler. Mein wichtigstes Ziel ist eine verstärkte Präsenz der polnischen Kultur in Berlin und außerhalb der Hauptstadt, vor allem in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern. Wichtig erscheint mir eine engere Kooperation mit den deutschen Medien. Außerdem möchte ich stärker einen offenen Dialog über Themen fördern und fordern, darunter auch die, die im deutsch-polnischen Verhältnis manchmal auf der Strecke bleiben.

Welche sind das konkret?

Damit meine ich eine breit angelegte Diskussion über die vor uns allen stehenden Herausforderungen der Zukunft wie Migration, aber auch über unsere schwierige Geschichte, die nicht unter den Teppich gekehrt werden darf.

Eine Geschichte, über die deutsche und polnische Historiker seit Jahren gemeinsam forschen. Was ist da noch nicht gesagt?

Sehr oft verheddern wir uns in den Wahrnehmungen, reden nicht über die Wirklichkeit. Dazu rüsten wir oft medial sehr stark auf. Verbale Abrüstung würde uns allen guttun.

Geht der Hinweis auch an die polnischen Medien?

Ja.

Welche Themen meinen Sie noch?

Die Erfahrungen mit der kommunistischen Diktatur, vor allem in Ostdeutschland. Damit haben wir uns in Polen bisher nur wenig auseinandergesetzt.

Wurde dieses schwierige Verhältnis Polen und Ostdeutsche bisher nicht angesprochen, weil der „Versöhnungskitsch“ – ein Wort des Polenkenners Klaus Bachmann – im Vordergrund stand?

Der Begriff ist zugleich ausdrucksstark wie verallgemeinernd. Der Kontakt war manchmal zu oberflächlich. Die meisten Deutschen schauen nicht nach Osten, sondern gen Westen. Die Westperspektive ist ein großes Manko auch für das deutsch-polnische Verständnis. Wenn man den Nachbarn nicht kennt oder, schlimmer noch, sich für ihn gar nicht interessiert, kann man nicht erwarten, dass man mit ihm zusammenarbeitet. Was mich immer wieder wundert, ist das Unwissen und die Unfähigkeit, sich zu öffnen. Auch in Berlin. Ich spreche nicht nur von der normalen Bevölkerung, sondern auch von den öffentlichen Stellen.

Können Sie ein Beispiel nennen?

Zu Beginn meiner Zeit in Berlin nahm ich an der Konferenz einer der deutschen Stiftungen teil. Ich traf dort eine Frau, die für Polen zuständig ist. Sie wusste nicht, was das Polnische Institut ist. Das hat mich erstaunt.

Das hört sich nach Nachhilfeunterricht für das deutsche Publikum an. Welche Rolle spielt die Kultur bei alledem?

Alle Bereiche unserer Tätigkeit – Film, Literatur, Theater, Ausstellungen – sind sehr wichtig. Zur Kultur gehört für mich aber auch ein kulturpolitischer Dialog über unsere gemeinsamen Werte. Das gilt nicht nur für die politischen Akteure, sondern auch für die Menschen in den verschiedenen Regionen in Europa. Wir sollten stärker ihre Kulturen präsentieren, denn wir haben verschiedene Identitäten: europäische, nationale, regionale und lokale. Über die müssen wir uns unterhalten, denn die machen uns alle aus.

Rennen Sie da nicht offene Türen ein? Die deutsch-polnische Kulturlandschaft Berlins ist in vielen Bereichen bereits eine postnationale. Teilweise wird mit Stereotypen und kulturellen Zuschreibungen gespielt.

Sie haben recht. Ich bin davon überzeugt, dass die Kultur hier schon weiter ist als die Politik.

Sie haben Germanistik studiert. Woher kommt Ihre Affinität zu Deutschland?

Als ich überlegt habe, was ich studieren sollte, habe ich mir die Frage gestellt: Soll ich Ingenieur werden oder lieber etwas anderes machen? Ich habe mich für die zweite Option entschieden und Germanistik gewählt, später auch Jura, obwohl ich in einer Technischen Oberschule war und meine Mutter sich etwas anderes gewünscht hätte. Ich habe meine Familie sehr überrascht.

Warum Germanistik?

Ich weiß nicht mehr, aber es kam aus Überzeugung.

Haben Sie Ihre Wahl bereut?

Ich und Ingenieur – das hätte nicht gepasst. Die Zeit in Danzig und in Kiel, wo ich auch für meine Magisterarbeit über Thomas Mann recherchiert habe, war hervorragend. In Kiel habe ich sehr viele Bekannte und Freunde gefunden. Mit vielen guten Erfahrungen, die mir sehr bei meiner beruflichen Entwicklung geholfen haben, bin ich wieder zurück nach Danzig gegangen.

Ist Danzig als deutsch-polnischer Literaturort eine besondere Stadt für Sie?

Die Entwicklung der polnischen Literatur mit ihrem großen Engagement für das deutsch-polnische Verhältnis – zum Beispiel von Paweł Huelle, Stefan Chwin, aber auch das Engagement des Ehrenbürgers Günter Grass – haben mich immer sehr beeindruckt. Vor allem, dass sich die Stadt trotz der schmerzvollen Geschichte vor dieser nicht verschlossen hat. Polen und Deutschland sind in Danzig verwoben, unzertrennlich geworden.

Geschichte muss also nicht nur etwas Trennendes haben, sondern kann auch verbinden.

Aus der Geschichte kann man viel lernen. Ich habe mich beruflich für die deutsch-polnische Kooperation eingesetzt, zunächst in Danzig auf regionaler Ebene, dann während meiner Zeit in Berlin. Danach bin in Warschau beim Zentrum für Internationale Beziehungen gelandet, wo ich deutsch-polnische Projekte unterstützt habe, wie etwa das Deutsch-Polnische Forum oder das Deutsch-Polnische Chefredakteurstreffen. Dies sind sehr wichtige Institutionen. Gerade der gesellschaftliche Dialog liegt mir sehr am Herzen, und die Kultur gehört immanent dazu.

Sie sind 33 Jahre jung und schon Direktor des Polnischen Instituts in Berlin. Sie sind sehr zielstrebig, Herr Dąbrowski.

Zielstrebig – das ist ein Adjektiv, das Außenstehende gern benutzen. Ich würde es lieber so bezeichnen: Ich nehme Entwicklungen und Themen, die auf mich zukommen, gern auf und stelle mich neuen Aufgaben, bin offen. Ich habe keine Angst vor dem offen-kritischen Dialog, auch wenn er mal wehtut. Man muss sich mit offenen Augen und wachem Kopf passende Partner suchen, dann kann man viele Sachen bewegen, wie hier in Berlin.

Ist dieses Berlin ein guter Ort für polnische Künstlerinnen und Künstler?

Berlin ist eine offene Stadt, die einlädt, die Leute gerne aufnimmt, weil sie nicht so steif ist wie andere deutsche Städte. Dadurch, dass Berlin eine multikulturelle Stadt ist, bietet sie den Charme, dass man sich viel schneller einleben kann, auch Mitstreiter findet, um Projekte zu machen.

Die Polen, die Geld verdienen wollen, gehen nach London, und die Polen, die künstlerische Projekte machen wollen, fahren nach Berlin?

Das würde ich so nicht sagen. Viele polnische Künstler gehen auch nach London. Aber Berlin ist natürlich näher. Und falls ein Projekt scheitert, kann man sich schneller in seine Heimat zurückziehen.

Sie haben einmal gesagt, dass Sie provozieren möchten, dass Sie das Polnische Institut zu einem „kreativen Provokateur“ machen wollen.

Im Sinne eines provokativen Ansprechens. Darunter verstehe ich unter auch die Öffnung des Instituts in Richtung Stadt. Mir ist es wichtig rauszugehen, die Berliner im öffentlichen Raum zu überraschen. So wie wir aus Anlass des 50. Jahrestages der Unterzeichnung der Römischen Verträge in den Kolonnaden der Alten Nationalgalerie eine Lichtinstallation des polnischen Künstlers Sylwester Łuczak gezeigt haben. Die Leute waren begeistert, haben nachgefragt, waren neugierig. Ein sehr großer Erfolg. Durch diesen Überraschungseffekt können wir ein anderes Bild Polens vermitteln.

Welches?

Es gibt kein einheitliches Bild. Wally Olins beschreibt die Atmosphäre in Polen als „creative tension“. Es gibt nicht nur ein Polen. Es gibt zum Beispiel die Politik, Gesellschaft, Kultur, Wissenschaft. In Berlin haben wir eine gute Konstellation, was die polnische Stimme angeht. Neben unserem Institut haben wir einen hervorragenden polnischen Botschafter, Marek Prawda, und ausgezeichneten Wissenschaftler, Robert Traba, am Zentrum für Historische Forschung. Wir alle drei müssen mit einer Stimme sprechen, denn nur die eine starke Stimme kann in Berlin gehört werden.

Können wir diese Konstellation als die Stimme eines starken geeinten liberalen Polens verstehen, das Sie in Berlin repräsentieren?

Wir wollen vor allem unterschiedliche polnische Standpunkte zu Gehör bringen und uns nicht nur auf eine bestimmte konzentrieren. Ich glaube, nur dann kann das Bild Polens vollkommen sein.

Hat Berlin das Image der polnischen Putzfrauen abgelegt?

Es ist noch teilweise präsent. Wir sind dabei, es abzustreifen. Was die Wahrnehmung der polnischen Putzfrauen in Deutschland angeht, empfehle ich allen das Buch von Adam Soboczyński „Polski Tango“. Bis wir das Bild eines dynamischen Polens erreichen, müssen wir noch hart arbeiten. Das ist eine schwierige Aufgabe. Aber es hat ja auch keiner gesagt, dass es einfach wird.