Die Unperson

Die Braunschweiger Stadtverwaltung muss den taz-Kolumnisten Hartmut El Kurdi boykottieren – weil er Oberbürgermeister Gert Hoffmann (CDU) kritisiert. Grüne Ratsfraktion: „Versuch einer Ächtung“

In der Bundeswehr sind Fragen nach Ethik und innerer Führung immer wichtige Themen

VON KARIN CHRISTMANN

Braunschweigs Oberbürgermeister Gert Hoffmann ist oberster Chef der Stadtverwaltung – und macht von seinen Befugnissen großzügigen Gebrauch in eigener Sache. Weil er die Kritik des bekannten Braunschweiger Satirikers Hartmut El Kurdi nicht mehr hören kann, hat er ihn von der Stadtverwaltung kurzerhand zur Persona non grata erklären lassen: Mitarbeiter der Stadt dürfen nicht mehr gemeinsam mit El Kurdi an Veranstaltungen teilnehmen.

„Dem Oberbürgermeister ist es natürlich nicht zuzumuten, an Veranstaltungen mit Leuten teilzunehmen, die ihn unflätig oder schäbig kritisieren“, findet Braunschweigs Kulturdezernent Wolfgang Laczny. Wegen der „Loyalität zu ihrem Dienstvorgesetzten“ galt das bis zum vergangenen Freitag auch für die Mitarbeiter des Fachbereiches Kultur. Diese Entscheidung fiel bei der Vorbereitung eines Vorlesewettbewerbes für Kinder: El Kurdi, der auch Kinderbücher schreibt, sollte in der Jury sitzen – der Leiterin der Öffentlichen Bücherei wurde es deshalb verboten, ein Grußwort zu sprechen.

Die grüne Ratsfraktion hörte davon und stellte eine Anfrage im Kulturausschuss, die Laczny am Freitag beantwortete. So gelangte die Entscheidung an die Öffentlichkeit – und die Stadt unternahm eine Kurskorrektur: Ab sofort gilt die Weisung „im Interesse einer gleichmäßigen Verfahrensweise aller städtischen Institutionen“ nicht mehr nur für den Fachbereich Kultur, sondern für alle Mitarbeiter der Verwaltung. Die grüne Ratspolitikerin Elke Flake nennt das den „Versuch einer Ächtung“ mit klarer Signalwirkung: „Kritisierst du den Oberbürgermeister, hast du in Braunschweig nichts zu suchen.“

Aber was versteht Gert Hoffmann unter unflätiger Kritik? Zum Beispiel, dass El Kurdi ihn in einer Kolumne in der Stadtzeitschrift Subway als „kritikallergischen Charakter“ bezeichnet hat. Dieses und andere ähnlich schwer wiegende Vergehen hat die Stadtverwaltung in einer „Akte El Kurdi“ gesammelt, in der sich Ausschnitte aus Zeitschriften und sogar die Mitschrift einer Rede El Kurdis finden.

Kulturdezernent Laczny will seine Untergebenen nicht in Konflikte stürzen: Wenn Mitarbeiter gemeinsam mit El Kurdi an einer Veranstaltung teilnähmen, bestünde die Gefahr, dass „Herr El Kurdi auf beschriebene Weise den Oberbürgermeister angreift“. Die Mitarbeiter müssten dann entweder „sich in diese Auseinandersetzung begeben“ oder „den Saal verlassen“ – das will Laczny ihnen ersparen.

Hartmut El Kurdi selbst findet den „mittelalterlichen Bannfluch“ „absurd“ und „hoch lächerlich“ – aber andererseits auch bitterernst: „Nicht nur, dass damit die Kommune als Veranstalter oder Kulturförderer wegfällt. Damit signalisiert die Stadt indirekt auch allen anderen Kultur-Veranstaltern, Medien, Sponsoren, Stiftungen: Lasst euch nicht mit dem ein!“, sagt Hartmut El Kurdi, der auch für die taz regelmäßig auf der „Wahrheit“-Seite Satire betreibt. In einer Stadt von der Größe Braunschweigs gebe es für einen Theatermacher nicht unendlich viele Ausweichmöglichkeiten.

Dezernent Laczny ist davon ungerührt: El Kurdi habe die Grenze der Satire überschritten und Zweifel daran geäußert, dass Hoffmann ein einwandfreier Demokrat sei. In der Akte El Kurdi findet sich – gelb markiert – ein Satz aus einer von El Kurdis Kolumnen: „Ob Herr Hoffmann inzwischen tatsächlich zum Demokraten mutiert ist oder nicht, ist eigentlich unerheblich.“ Der spielt darauf an, dass Hoffmann ein ehemaliges Mitglied der NPD ist – und das haben Hoffmann und die Stadt auch nie bestritten.

Der Vorsitzende der CDU-Ratsfraktion, Wolfgang Sehrt, schlägt vor: Wenn Hartmut El Kurdi auf Hoffmann zugehe und sich entschuldige, könne die ganze Sache bald vergessen sein. Wohl eher keine Lösung, denn El Kurdi fragt: „Seit wann muss man sich für freie Meinungsäußerung entschuldigen?“