: The Teaches of Bitches
Am Anfang sitzt Peaches breitbeinig auf einem riesigen Bett aus überdimensionierten Schamhaaren und hackt auf ihrem Keyboard herum. „I’m sitting in my bedroom“ murmelt sie rhythmisch, dazu das Riff von „Set It Off“, und sie versucht es irgendwie in Einklang zu bringen. Klappt kaum. Sie lässt es bleiben, spielt mit ihrem Mini-Keyboard eine andere charakteristische Beatfolge, rappt dazu „I’m the kinda …“ und sucht nach Worten: „I’m the kinda girl … I’m the kinda … I’m the kinda person …“, als dann eine Glitzervulva vom Himmel gefahren kommt, ein grell geschminktes Power-Weib entsteigt und sie zurechtweist: „I’m the kinda bitch, bitch!“
So muss es gewesen sein, als Merrill Beth Nisker irgendwann um die Jahrtausendwende ihren Kumpel/Lover Jason Beck alias Chilly Gonzalez in Berlin besuchte. Der hatte sich gerade für Prenzlauer Berg als Homebase entschieden, und so saß sie wohl irgendwo in der Gegend um die Eberswalder Straße auf einem Bett, knobelte mit einem Mini-Keyboard an Elektro-Beats und hatte die glitzervaginale Eingebung, dass sie es als Bitch weiter schaffen würde als als „Person“ oder „Girl“. Einen einzigen Auftritt brauchte sie mit Gonzalez in der Galerie berlintokyo, und vom Fleck weg engagierte sie das Label Kitty Yo, wenig später kam „The Teaches of Peaches“ heraus: 11 Songs Electroclash, die die Zuhörer nervten, verwirrten und in ihren Bann zogen – und mit einem programmatisch pinken Höschenbild als Cover.
Nervöse Rezensenten nannten Peaches „Pfirsichfurie“, weil sie offensiv ihre positive Einstellung zu Sex zelebrierte, für die taz war sie „der heißeste Scheiß seit ungefähr James Brown“, ihre Musik „Soundterror, Schmuddelpunk, glamouröser R ’n’ B mit elektronischen Verstörungsmomenten“. Heute ist Peaches Berliner Allgemeingut. Ihr Musical „Peaches does Herself“ (lief im Oktober 2010 und letzte Woche im Hebbel am Ufer 1) verkörpert das (teilweise subkulturelle) Lebensgefühl der Nuller Jahre, wie es „Linie 1“ mit dem Westberlin der 80er tut. Peaches zeigt das weltoffene Post-Techno-Berlin, das Leute aus aller Welt anzieht, in dem die vollkommene Schönheit ein sehr großer Mensch mit Penis und Brüsten ist (Danni Daniels). Die etwa halb so große Peaches scheitert mit dem Versuch, diese Schönheit mit Umschnalldildo und einem an Metropolis erinnernden Brustpanzer zu imitieren und wird in einer Liebeskonkurrenz von der über 60-jährigen verlebten Stripperin und Country-Sängerin Sandy Kane ausgestochen. Aber nicht schlimm: „Fuck the Pain Away“ ist der perfekt furiose Schlusspunkt für das Musical, wie es 2000 der perfekt furiose Opener von „The Teaches of Peaches“ war. MALTE GÖBEL