LESERINNENBRIEFE :
Haircut, sofort!
■ betr.: „Eine Gefahr für alle“ und weitere Artikel zur Schuldenkrise in Griechenland, taz vom 11. 5. 11
Haircut? Banker und Versicherer bestimmen Griechenland-Politik. Wenn in Griechenland keine Umschuldung stattfindet, dann bedeutet das, dass Aktionäre nach wie vor nicht am Risiko beteiligt werden.
Es bedeutet auch, dass 80 Millionen deutsche und Millionen anderer Euro-Bürger, die alle keine Aktien besitzen, es hinnehmen müssen, dass 1. Investmentbanken auch dank der niedrigen Zinsen, entgegen aller Vernunft und jeglicher Geschäftspraktiken, ohne Risiko weiter spekulieren können, und 2. ihr Geld, das sie im Schweiße ihres Angesichts verdienen, die Rente, die sie vielleicht beziehen, immer weniger wert ist. Lebensmittel, Energiekosten und Preise an der Zapfsäule sind bereits exorbitant gestiegen. Die statistischen Angaben zur Inflation sind eine Farce.
Der Zweck der Übung, keinen Abzug bei den Griechenland-Anleihen hinnehmen zu wollen, ist es, an das Geld des EU-Rettungsschirms zu gelangen. Wenn dieser Wechsel gezogen wird, das heißt die Garantien in Anspruch genommen werden, dann geht es einzig und allein nur darum, noch mehr spekulieren und noch höhere Risiken, die dann vom Rettungsschirm abgedeckt sind, eingehen zu können. Aber dieses Geld fehlt dem Staat dann in allen anderen Bereichen.
Es ist verständlich, dass Unternehmen, Banken und AGs im Sinne ihrer Aktionäre agieren und hohe Renditen erwirtschaften möchten. Auch für alle Angestellten dieser Unternehmen ist es profitabel. Aber diese Angestellten sind auch gleichzeitig, jeder Einzelne von ihnen, Anwohner einer Kommune, der es an allen Ecken und Enden fehlt, weil das Geld für obige Zwecke ausgegeben wurde.
Dabei handelt es sich bei dem Geld, mit dem die Investmentdeals getätigt werden, um Zocker – Bad-Bank-gesichertes Geld, dem schon lange keine tatsächlichen Werte mehr gegenüberstehen. Nicht umsonst hat die Deutsche Bank die Postbank übernommen, um an reales, tatsächlich erwirtschaftetes Geld zu gelangen, das dort von vielen Arbeitnehmern eingezahlt wird. Auch das von den Euro-Ländern garantierte ist tatsächlich erwirtschaftetes Geld und hat seinen korrekten Wert.
Deshalb muss man einsehen, wenn Banker und Versicherer die Politik beraten, dass sie nicht die Kaufkraft der Euro-Bürger im Sinn haben, sondern ihre Geschäftstätigkeit, auch wenn es zum Schaden der Restbevölkerung ist. Aber dafür haben wir ja die Politiker gewählt, die beim Amtseid geschworen haben, die „ganze“ Bevölkerung vor Schaden zu bewahren. Und das bedeutet hier eindeutig: Verzicht auf volle Rückzahlung der griechischen Anleihen – das heißt Haircut sofort. Nur so kann der risikolosen Spekulation vorgebeugt werden. BRIGITTE HAGEMANN-STEITZ, Gelnhausen
Griechen wurde nichts geschenkt
■ betr.: „Immer neue Geschenke“, Kommentar von Ulrike Herrmann, taz vom 11. 5. 11
Es ist zum Verzweifeln. Nach zwei Jahrzehnten neoliberaler Gehirnwäsche plappert auch die geschätzte taz-Kommentatorin Herrmann die ideologischen Parolen derer nach, die uns die falschen Sündenböcke benennen: „Die EU macht den Griechen Geschenke!“
Gleichmütig haben wir jahrelang zugesehen, wie in Südamerika und Nordafrika Staaten wegen lascher Steuerpolitik der Regierungen zahlungsunfähig wurden und wie die Menschen wegen brutalster IWF-Auflagen teils auf die Straße gingen, teils klaglos in die Verarmung abtauchten. Jetzt rücken die unausweichlichen Folgen von Staatsverschlankung, Deregulierung, Privatisierung und Steuersenkungen immer näher an die mitteleuropäischen Kernländer heran und sorgen auch hier für desolate Staatsfinanzen.
Wenn Griechen und Iren zu wenig Steuern verlangen oder eintreiben und deshalb vor dem Staatsbankrott stehen, ist dies nur ein Vorgeschmack auf das, was auch uns blüht, wenn die Einnahmenseite des Staates nicht endlich wieder verbessert wird. Geschenke haben nicht die Griechen erhalten, sondern weltweit alle, die sich zwanzig Jahre lang über stetig fallende Steuern gefreut oder vom Verkauf des staatlichen „Tafelsilbers“ profitiert haben. Auch das deutsche Triple-AAA-Rating ist längst ausgehöhlt. DIETER SCHWARZ, Schwerin
Wer hätte das gedacht?
■ betr.: „Ach, Attacis!“ von Benedict Ugarte Chacón, taz vom 9. 5. 11
Der Autor sagt endlich mal den Attacis, was ihnen bisher entgangen ist: Die Herrschenden wollen ihr System gar nicht ändern, sondern stabilisieren. – Wer hätte das gedacht? Außerdem veröffentliche Attac Vorschläge zu allen möglichen Themen und lebe in dem Wahn, dass damit die Herrschenden, von diesen klugen Ansichten „gesalbt“, in sich gehen würden.
Für wie dumm hält der Verfasser eigentlich seine Mitmenschen? Die Zielgruppe der Texte sind nicht die „Herrschenden“, sondern die Menschen, denen von den Herrschenden vorgegaukelt wird, dass es keine Alternativen zu ihren Maßnahmen gebe. Attac zeigt auf, dass es diese Alternativen gibt. Natürlich kann man dieses Vorgehen als „harmlos“ klassifizieren. Was schlägt denn der Autor vor? Wäre es wirksamer, wenn jede Woche mindestens eine Filiale der Großbanken entglast würde oder brennende Autoreifen vorm Bundestag ein Fanal setzen würden? Oder soll Attac selbst gleich die Gesetze schreiben und verfügen?
Wenn man nicht zur Revolution und zum bewaffneten Kampf aufrufen will, dann bleibt nur der beschwerliche und möglicherweise erfolglose Weg, die Alternativen einer anderen Welt aufzuzeigen und auf die Einsicht einer Mehrheit zu hoffen. Und das versucht Attac. Auch auf dem großen Kongress „Jenseits des Wachstums“.
THEO TEKAAT, Mainz