127 Stunden Tierquälerei im Laster

Nach Berichten über grausame Schweinetransporte fordert Dänemark einen Ethikkodex für Lebendviehtransporte in Nicht-EU-Ländern. Bislang nutzen Schweinebauern rechtliche Grauzone. EU-Agrarministertreffen bringt keinen Fortschritt

AUS STOCKHOLM REINHARD WOLFF

Die Kontrolleure waren entsetzt: 127 Stunden lang waren 1.150 Schweine in einem mehrstöckigen Laster auf dem Weg von Kopenhagen ins russische Dimitrowgrad auf engstem Raum ohne ausreichend Frischwasser eingepfercht. Sie standen kniehoch im eigenen Kot, starben reihenweise und fraßen sich gegenseitig auf. Die Tierquälerei fand in einer Grauzone statt: Während es für Lebendtiertransporte innerhalb der EU klare Regelungen gibt, fehlen für Transporte nach außerhalb entsprechende Vorschriften.

Erst unter dem Druck der veröffentlichten Details haben sich dänische Bauernorganisationen letzte Woche mit der Transportbranche darauf geeinigt, die Fahrten vorläufig auszusetzen. Der dänische Landwirtschaftsminister Hans Christian Schmidt wollte noch einen Schritt weiter gehen: Er hatte ankündigt, beim Treffen der EU-Agrarminister, das Montag und Dienstag in Luxemburg stattfand, zumindest einen Ethikkodex für solche Transporte vorzuschlagen.

Bundeslandwirtschaftsminister Horst Seehofer, der das Treffen im Rahmen der deutschen EU-Ratspräsidentschaft leitete, sagte am Montag noch Unterstützung zu: Aufgrund der „abstoßenden“ Berichte aus Dänemark würden die EU-Staaten prüfen, ob rechtliche Konsequenzen gezogen werden müssten. Doch daraus wurde offenbar nichts: Eine Sprecherin von Seehofers Ministerium teilte gestern auf Anfrage mit, dass die dänischen Vorschläge gar nicht diskutiert wurden.

Dänemark ist der weltweit größte Exporteur von Schweinefleisch. Und schon eins von zehn Tieren wird noch lebend in Zielländer außerhalb der EU verfrachtet. Für Lebendtiertransporte innerhalb der EU ist nach 24 Stunden eine Ruhezeit von 24 Stunden Pflicht, bei der die Schweine den Lkw verlassen müssen und sich auf festem Boden die Beine vertreten, versorgt werden und sich ausruhen dürfen.

Kritiker sind skeptisch, ob eine Selbstverpflichtung sinnvoll ist. Die dänischen Vorfälle zeigten doch gerade, was Versprechen wert sind, wenn es keine Kontrolle gibt: Man legte die Fahrtrouten nach Russland und in die Ukraine so, dass man die EU-Außengrenze schnellstmöglich überschreiten konnte. Systematisch. Und bei den Tätern handelte sich nicht um irgendwelche dubiosen Lkw-Firmen, sondern um die eigene Transportgesellschaft der Landwirte, die die Fahrtprotokolle fälschte.

Begründet wird diese Tierquälerei nachträglich pikanterweise mit – Tierschutz. Man habe den Schweinen die unzureichenden russischen Ruheställe nicht zumuten wollen und die Ansteckung mit Krankheiten befürchtet. Stattdessen quälte man die Tiere lieber im Lastwagen teilweise zu Tode.

Nun gelobt der Verband der Schweineproduzenten mehr Kontrolle. So etwas dürfe „nie mehr passieren“, verspricht deren Vorsitzender Torben Poulsen: „Sonst gibt es gegen diese Firmen einen regelrechten Boykott.“ Doch die Tageszeitung Jyllands-Posten beschreibt, wie solche möglichen neuen Regeln und Kontrollen bereits jetzt umgangen werden: Gleich jenseits der dänisch-deutschen Grenze würden die Schweine in Nicht-EU-Tiertransporter umgeladen. Damit ende die Kontrolle. Pro lebendes Schwein in der Ukraine 25 Euro mehr zu verdienen als mit dem Fleisch eines in einem dänischen Schlachthof geschlachteten ist für viele Landwirte offenbar ein Anreiz, der solche Tierquälerei wert ist.