: Statt in die Bronx in die Wüste geschickt
Der Offiziersanwärter der Bundeswehr, der einem Rekruten befohlen hat, bei der Schießübung an Afroamerikaner zu denken, wurde gestern fristlos entlassen. Ausbildungsbeauftragter der Bundeswehr sieht das Problem im Werteverfall der Gesellschaft
AUS BERLIN KATHARINA KOUFEN
Die Bundeswehr hat den Offiziersanwärter, der ein fiktives Schießen auf Afroamerikaner angeordnet hat, fristlos entlassen. Das Dienstverhältnis sei gestern aufgelöst worden, hieß es aus dem Verteidigungsministerium. Der junge Mann verliert damit seinen Dienstgrad und seine Ansprüche auf Dienstbezüge. Zudem ermittelt der Staatsanwalt gegen ihn. Es wird geprüft, ob der Tatbestand der Volksverhetzung erfüllt ist.
Der Offiziersanwärter hatte im Juli 2006 einem Rekruten befohlen, sich beim „Feuern“ mit dem Maschinengewehr Afroamerikaner aus der New Yorker Bronx vorzustellen. Dabei sollte er „Motherfucker“ rufen. Ein weiterer Ausbilder, ebenfalls aus der Feldwebel-Schmid-Kaserne im schleswig-holsteinischen Rendsburg, filmte die Szene mit der Videokamera.
Der Bürgermeister der Bronx, Adolfo Carrion, forderte von Deutschland eine Entschuldigung bei den Menschen seines Stadtviertels. Er lud die Soldaten der Bundeswehr nach New York ein: „Ich werde sie herumfahren, damit sie sehen, wie die Bronx wirklich ist.“ Umgekehrt lud der Rendsburger Bürgermeister Andreas Breitner (SPD) seinen Kollegen aus der Bronx nach Deutschland ein. Dort könne er sich überzeugen, dass „Deutschland, Rendsburg und die Bundeswehr“ anders seien, als Carrion vermute.
Im Verteidigungsministerium in Berlin beeilte man sich, den Vorfall als „Einzelfall“ zu isolieren. Der Wehrbeauftragte des Bundestags, Reinhold Robbe (SPD), äußerte sich ähnlich. In den zwei Jahren seiner Amtszeit habe er noch keinen derartigen Fall auf den Tisch bekommen, bei dem ein Ausbilder „mit solch rassistischen Parolen Befehle erteilt“, sagte er.
Der Beauftragte für Erziehung und Ausbildung beim Generalinspekteur der Bundeswehr, Alois Bach, sagte der taz: „Es handelt sich hier um menschliches Versagen. Unsere Prinzipien der Ausbildung sind richtig, und Tausende Ausbilder handeln richtig. Trotzdem gibt es natürlich immer Menschen, die gegen diese Prinzipien verstoßen.“
In der Grundausbildung lernen die Rekruten normalerweise die Basis des Soldatenjobs. Märsche von bis zu 20 Kilometern Länge, Ausrüstung schleppen, Waffen handhaben stehen auf der Tagesordnung. Verhaltensregeln und wann ein Soldat welche Waffe einsetzen darf. „Solche Übungen sind schon mal in ein Situationstraining eingebunden“, erklärt Bach. „Es werden kleinere militärische Gefechtssituationen mit 10 bis 30 Soldaten nachgestellt.“ Auch sollen die Werte vermittelt werden, nach denen die Soldaten der Bundeswehr handeln „und für die sie in den Einsatz gehen“, so Bach.
Mit diesen Werten hat die Schießszene in Rendsburg nichts mehr zu tun, „aber dies ist kein Problem der Bundeswehr“, meint Bach. Werteverfall und mangelnde Disziplin seien vielmehr ein Problem der Gesellschaft insgesamt. Eine Häufung solcher Vorfälle bei der Bundeswehr sieht der Brigadegeneral nicht – die Medienaufmerksamkeit habe zugenommen.