: Ein Satzball für die Aufklärung
Verlage im Norden (IV): Dem zu Klampen-Verlag im niedersächsischen Springe ist es ernst mit Erkenntnis und Gesellschaftsanalyse. Daneben aber gibt es den Mut, auch mal etwas auszuprobieren – und eine Struktur, um schnell auf aktuelle Themen zu reagieren
VON KLAUS IRLER
Der Verleger Dietrich zu Klampen liest ja gerne mal den Spiegel, aber mit der aktuellen Ausgabe ist er unglücklich. Weil er irgendwie daran beteiligt ist, was da steht, aber genannt wird er nicht.
Auf drei Seiten nämlich berichten die Spiegel-Redakteure über die Entgleisung des baden-württembergischen Ministerpräsidenten Günther Oettinger (CDU), der den früheren Ministerpräsidenten und ehemaligen NS-Marinerichter Hans Filbinger als Gegner des Nationalsozialismus bezeichnet hat. Ausgiebig zitiert der Spiegel nun den Historiker Wolfram Wette, der „über Filbingers Rolle als Marinerichter geforscht hat“. Nicht erwähnt wird das Buch, das Wette herausgegeben hat. Es heißt „Filbinger – eine deutsche Karriere“. Dietrich zu Klampen hat es zusammen mit seinem Kompagnon Rolf Johannes verlegt. Erschienen ist es im September 2006.
Nun ist es nicht so, dass Dietrich zu Klampen sich ernsthaft grämen würde. Aber wurmen tut es ihn schon, zumal ein Verlag wie seiner sehr begrenzte Mittel für Marketing hat und auf die Presse angewiesen ist. Der zu Klampen-Verlag nämlich ist ein kleiner Verlag, Verleger zu Klampen, 48, und Lektor Johannes, 46, beschäftigen vier fest angestellten und ungefähr noch einmal so viele freie Mitarbeiter. Das Lektorat befindet sich in Lüneburg, wo der Verlag gegründet wurde, und die Zentrale in Springe bei Hannover, wo zu Klampen mit seiner Familie wohnt.
Gegründet wurde der Verlag 1983 mit dem Ziel, das „‘Erbe‘ der Kritischen Theorie aufrechtzuerhalten“ – damals ging es zunächst darum, Texte von Sozialphilosophen wie Wolfgang Pohrt, Christoph Türcke oder Günther Mensching zu veröffentlichen. Zu Klampen, Rolf Johannes und der mittlerweile ausgeschiedene Gerhard Schweppenhäuser hielten das für nötig, nachdem sie diese Texte als Studenten der Lüneburger Universität in der Vorlesungsreihe „Krise und Kritik“ gehört hatten. „Wir wollten etwas zur Aufklärung beitragen“, sagt zu Klampen. „Im Grunde hat sich das bis heute nicht geändert.“
Tatsächlich publiziert der zu Klampen-Verlag nach wie vor beispielsweise die „Zeitschrift für kritische Theorie“. Und doch ließ sich der Verlag allein mit Texten im Nachgang der Frankfurter Schule nicht wirtschaftlich betreiben. Also erweiterte der Verlag sein Programm und veröffentlicht mittlerweile auch kritische Sachbücher etwa über Korruption in der UN, Bücher über den Nationalsozialismus und kritische Theologie. Außerdem gibt es eine Reihe mit Gedichtbänden und Regionalliteratur, die zum Beispiel das Rathaus in Hannover in den Blick nimmt.
Und es gibt Bücher, die eher entfernt etwas mit Aufklärung zu tun haben. Da ist etwa der „Leitfaden Versicherungen“ oder auch die verdienstvolle Werkausgabe des jüdischen Exilschriftstellers Soma Morgenstern. Oder das Sport-Buch „Winning Ugly“: Darin erläutert Brad Gilbert, Ex-Tennis-Profi und Trainer von Tennis-Star Andre Agassi, wie man bessere Gegner im Tennis durch mentale Kriegsführung schlägt. Das Buch ist mittlerweile einer der Renner des Verlags, der es druckte, nachdem es einem anderen, großen Verlag zu schräg war. Um auch mal etwas auszuprobieren.
Beim zu Klampen-Verlag sah das dann so aus, dass man zunächst versuchte, das Buch über Sportgeschäfte zu verkaufen. Dann fuhren die Mitarbeiter nach Hamburg zu einem Tennisturnier, wo sie das Buch aus dem Bauchladen heraus verkauften. „Das lief mäßig“, sagt zu Klampen. Zum Erstaunen aller lief das Buch aber nach und nach doch, so gut, dass es in die Kategorie rutschte, die zu Klampen als „Bestseller“ definiert: „Alle Bücher, die wir über 10.000 mal verkaufen, sind für uns Bestseller.“ Das passiere ungefähr alle drei Jahre, sagt zu Klampen, bei einer Produktion von rund 20 Büchern pro Jahr.
Schwierig sei, sagt zu Klampen, dass das Buch zunehmend in Konkurrenz zu anderen Medien stehe und der Markt der Freizeitgestaltung wachse. „Bücher zu verkaufen geht für uns nie über Geld oder Beziehungen, sondern nur über anständige Buchbesprechungen.“ Wobei er die Erfahrung gemacht habe, dass auch die Besprechungen im Vergleich zu früher immer seltener zu einem Zuwachs an Verkäufen führen: „Auch Rezensionen werden inflationär.“
Neben dem Programm zwischen Kritischer Theorie und Regionalliteratur aber gibt es einen Joker, den zu Klampen im Buchgeschäft ausspielen kann, und der ist: schnell zu reagieren. 1998 zum Beispiel, als der evangelische Theologe Gerd Lüdemann in seinem „Brief an Jesus“ unter anderem geschrieben hatte, dass Jesus nicht ohne Sünde und nicht Gottes Sohn sei: Die Wogen schlugen hoch, die Kirchenoberen entzogen Lüdemann seinen Lehrstuhl für das Fach „Neues Testament“ und im Spiegel stand: „Bislang hat Lüdemann keinen Verleger gefunden.“
Das war Anfang März 1998. Sechs Wochen später brachte zu Klampen Lüdemanns Buch „Der große Betrug und was Jesus wirklich sagte und tat“ heraus. Der Kontakt kam nach einem Solidaritäts-Fax zustande und am Schluss musste es sehr schnell gehen: „Ich war gerade Tennis-spielen, als der Anruf kam, dass Lüdemann die Fahnen zur Korrektur vom Kurier nicht erhalten hatte“, erzählt zu Klampen. Also stieg er verschwitzt in seinen Sportklamotten in den Zug und brachte die Fahnen eigenhändig nach Göttingen. „Sowas macht Spaß“, sagt er. „Und es geschah im Dienst der Aufklärung.“