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Archiv-Artikel

Umstrittener Diätplan

MALAISE Der Krankenhauskonzern des Landes will Hunderte Mitarbeiter ausgliedern, um keine Tariflöhne mehr zahlen zu müssen. Die Beschäftigten protestieren dagegen

„Der Druck kommt vom Senat“

JANINE BALDER, VER.DI BERLIN- BRANDENBURG, ÜBER DIE SPARWUT BEI VIVANTES

VON THOMAS GERLACH

Die Mitarbeiter von Vivantes gehen gegen ihren Arbeitgeber auf die Barrikaden: Der landeseigene Krankenhauskonzern will sparen und plant eine weitere Ausgliederung von Arbeitsbereichen. Alle therapeutischen Dienste sollen in eine noch zu gründende Tochtergesellschaft ausgelagert werden. Dasselbe droht den Mitarbeitern in den Bereichen Facility Management, Einkauf und Logistik sowie beim Patientenbegleitservice. Am Dienstag soll der Aufsichtsrat darüber abstimmen.

Das Unternehmen würde so seine Personalkosten senken, denn bei Neueinstellungen gälte nicht mehr der Tarifvertrag für den Öffentlichen Dienst (TVÖD). Zwar konnte Deutschlands größter kommunaler Krankenhauskonzern 2013 eine „schwarze Null“ als Betriebsergebnis ausweisen, doch laut Geschäftsführung braucht Vivantes „kurzfristig flexiblere Vergütungsstrukturen“. Weiter heißt es, der Konzern benötige jährlich zusätzlich 40 Millionen Euro vom Land, um den Investitionsstau aufzulösen.

Besonders aufgebracht sind die Beschäftigten – darunter Ergotherapeuten, Logopäden, Physio- und Musiktherapeuten –, weil sie schon in den vergangenen Jahren einen Lohnverzicht hingenommen haben. In einem offenen Brief werfen sie nun dem Unternehmen „Tarifflucht“ vor. Anstatt therapeutische Leistungen zu gefährden, solle die Geschäftsführung auf die Finanzierungsverpflichtung des Senats pochen und die zugesagten Investitionsmittel einfordern. „Wir sind nicht bereit, durch weiteren Lohnverzicht oder fortschreitende Verschlechterung der Arbeitsbedingungen für die unterlassene Finanzierung des Landes Berlin zu bezahlen“, heißt es in dem Schreiben, das auch an die Senatoren für Finanzen und Gesundheit, Ulrich Nußbaum und Mario Czaja, adressiert ist.

Die jetzigen Pläne würden etwa 800 Mitarbeiter betreffen, schätzt Janine Balder von Ver.di Berlin-Brandenburg. Perspektivisch könnte Vivantes jedoch alle Mitarbeiter in neue oder bestehende Tochtergesellschaften auslagern, die nicht zu den Kernbereichen Ärzte, Pflegepersonal und Funktionsdienste, wie etwa Röntgen und MRT, gehörten. Dann würden bis zu 6.000 der etwa 15.000 Beschäftigten aus dem TVÖD herausfallen. Die Urheber dieser Unternehmenspolitik sieht Balder jedoch weniger in der Geschäftsführung. „Der Druck kommt vom Senat“, ist sie sich sicher.

Vivantes-Sprecherin Kristina Tschenett betont zwar, dass unter anderem die Gehälter der Therapeuten noch weit über dem Bundesschnitt lägen, räumt aber ein, dass die Überlegungen zu den Ausgliederungen mit der wirtschaftlichen Situation zu tun hätten. Knapp 70 Prozent der Ausgaben entfielen auf Personalkosten, und mit den jüngsten Tarifsteigerungen würden die Kosten deutlich schneller steigen als die Einnahmen aus den Fallpauschalen der Krankenkassen – also die Summe, die diese für die Behandlungen von Patienten zahlen. Das führe zu einer Situation, „die alle Krankenhäuser vor ziemliche Herausforderungen stellt“, so Tschenett. „Zweck der konzerneigenen Tochtergesellschaft ist es daher, bei Neueinstellungen eine branchenübliche Vergütung zu zahlen.“

70 Millionen zu wenig

Zwar ist das Land gesetzlich verpflichtet, den Krankenhäusern die notwendigen Investitionsmittel zu überweisen, es kommt dem aber nur unzureichend nach. Benötigt würden laut Berliner Krankenhausgesellschaft mindestens 140 Millionen Euro jährlich, 2014 bringt Berlin aber nur rund 70 Millionen auf. Für 2015 sind 77 Millionen Euro im Doppelhaushalt eingeplant.

Nun ist der Unmut ist groß. Die Folgen der chronischen Unterfinanzierung, so glauben viele bei Vivantes, würden auf sie abgewälzt. Zur Aufsichtsratssitzung am Dienstagnachmittag hat Ver.di alle Mitarbeiter zu einer Protestaktion vor der Klinikzentrale in Reinickendorf aufgerufen.