Emanzipation im Peloton

KURBELN Weltverbandspräsident Brian Cookson hält sein Wahlversprechen und macht sich für den Frauenradsport stark. Der Weg zur Gleichstellung ist aber noch immer ziemlich weit

■ Das Event: Die 81. Straßen-WM wird noch bis 28. September im spanischen Ponferrada ausgetragen. Zum Auftakt der WM am Sonntag ist Zeitfahr-Weltmeister Tony Martin an seiner ersten Goldmedaille vorbeigefahren. Mit dem belgischen Team Omega verpasste der 29-Jährige als Dritter den Titelhattrick im Teamzeitfahren. Martin und seiner Equipe fehlten im spanischen Ponferrada nach 57,1 Kilometern 36 Sekunden zum dritten WM-Sieg in Serie. Bei den Frauen siegte das Team Specialized nach 36,2 Kilometern.

AUS PONFERRADA TOM MUSTROPH

Die Preisgelder im Frauenradsport sind oft eine peinliche Angelegenheit. Fragt man die frisch gebackene Teamweltmeisterin Trixie Worrack danach, weiß die Berufssportlerin nicht, ob sie weinen oder lachen soll. Der Faktor 380 trennt den männlichen Gesamtsieger des dreiwöchigen Etappenrennens Giro d’Italia von der Gewinnerin des zehntägigen, Giro Rosa genannten Events bei den Frauen. 200.000 Euro durfte der Kolumbianer Nairo Quintana unter seinen Helfern verteilen. Für die Niederländerin Marianne Vos lohnte sich angesichts der Prämie von 525 Euro nicht einmal die Frage des Teilens.

Bei der WM sieht es etwas besser aus. Ausrichter UCI führte schon unter dem alten Präsidenten Pat McQuaid gleiche Preisgelder für die Einzelsieger bei den Männern und Frauen ein. Zeitfahrweltmeister Tony Martin darf sich bei einer Titelverteidigung über 3.833 Euro freuen – wie auch sein weibliches Pendant, das heute gekürt wird. Sieger und Siegerin im Straßenrennen erhalten je 7.667 Euro. Beim Teamzeitfahren allerdings herrschen weiter die Geschlechterunterschiede: 33.333 Euro erhielt der Rennstall BMC, nur 10.666 Euro Specialized lululemon.

Kristy Scrymgeour, Besitzerin des siegreichen Frauen-Rennstalls, vermutet die unterschiedlichen Beiträge der Profiteams bei Männern wie Frauen als Ursache dieses Missverhältnisses. Scrymgeour warnt auch davor, bei jedem Rennen sofort Preisgeldgleichheit zu fordern. „Die Budgets der Rennveranstalter bei Männern und Frauen unterscheiden sich stark. Höhere Preisgelder sind nur dann realistisch, wenn die Rennen im Fernsehen übertragen werden, sie dadurch für Sponsoren interessant werden und so der Spielraum für die Organisatoren größer wird“, sagte sie der taz.

Immerhin konstatiert sie eine merkliche Verbesserung. „Es weht ein neuer Wind. Brian Cookson hat mit Tracey Gaudry erstmals eine Frau als Vizepräsidentin eingesetzt. Die neue Kommission für Frauenradsport entwickelt viele Ideen. Statt zu klagen, geht es konstruktiv zu“, sagt die Australierin. Sie betont: „Der Stellenwert des Frauenradsports innerhalb der UCI ist jetzt deutlich gewachsen. Wurde er viele Jahre nur als Amateursport betrachtet, so gilt er jetzt als professioneller Sport.“

„Unsere Rennen sind doch meist viel spannender“

TRIXIE WORRACK, PROFIRADFAHRERIN

Einige Veränderungen sind auch an der Basis angekommen. Ronny Lauke, seit 2008 als sportlicher Leiter im Frauenradsport tätig, hebt die Livestreams von Frauenrennen auf der UCI-Website hervor. „Das schafft Sichtbarkeit“, meint er. Und dies helfe auch, mit dem alten Vorurteil aufzuräumen, dass Frauenrennen taktisch weniger anspruchsvoll oder langweiliger seien.

„Unsere Rennen sind doch meist spannender. Das habe ich jedenfalls öfter von Leuten zu hören bekommen, die bei der WM die Straßenrennen von Frauen und Männern sahen“, sagt Worrack. Und anders als bei den Männern sei die Spannung der Rennen nicht so sehr vom Profil geprägt, sondern von den Taktiken der Sportlerinnen.

Neuen Auftrieb erhielt der Frauenradsport in diesem Jahr auch durch La Course by Le Tour de France – das Eintagesrennen der Frauen am letzten Tag der Tour de France auf dem gleichen Parcours wie dem der Männer. „Das war ein toller Erfolg. Vor soviel Zuschauern zu fahren, macht einfach Spaß“, schwärmt Worrack. Ihre Chefin Scrymgeour ist deutlich vorsichtiger. Sie hebt zwar auch den Zuschauerzuspruch hervor, hadert aber mit dem deutlich geringeren Medieninteresse für die Frauen. Anders hat sie das bei der Women’s Tour of Britain erlebt, der unabhängig vom Männerrennen ausgetragen Frauenrundfahrt. Der Giro-Veranstalter RCS und auch die Ausrichter der Rundfahrten von Colorado und Kalifornien machen gleichfalls Pläne für eigene Rennen. Es tut sich also etwas im Frauenradsport.