: Taugt Jürgen Klopp zum Idol?JA
MEISTERSCHAFT Jürgen Klopp wird mit Borussia Dortmund am Wochenende zum deutschen Fußballmeister gekrönt. Seine Fans sehen in ihm mehr als einen Trainer, andere nervt der Hype
Die sonntaz-Frage wird vorab online gestellt.
Immer am Dienstagmittag. Wir wählen eine interessante Leserantwort aus und drucken sie dann in der sonntaz.
Friedrich Küppersbusch, 49, ist Fernsehjournalist und fanatischer BVB-Fan
Wenn der BVB nicht Meister geworden wäre und wir Bayern und Schalke nicht geschlagen und Leverkusen nicht abgehängt und von Köln nicht aus zwei Spielen neun Punkte (für das Leverkusen-Spiel) bekommen hätten und er Arnd Zeigler nicht dieses komische Versager-Interview gegeben hätte und dem SWR-Seuchenvogel die Frisur vom Kopf geschrien hätte und er irgendwann für viel Geld zu einem schlimmen Verein gehen würde: Allein dafür, dass die Bayern van Gaal und Jonker und Heynckes durchfüttern müssen beim Warten auf ihn – dafür muss man ihn sehr lieb haben.
Gerald Asamoah, 33, vom FC St. Pauli spielte 43 Mal in der Nationalmannschaft
Mein Herz hängt zwar für immer am FC Schalke 04, für den ich elf Jahre lang gespielt habe – aber den Borussia-Dortmund-Trainer und auch den Menschen Klopp finde ich einfach großartig. Es ist gar nicht mal der Punkt, dass er mit seiner Borussia Meister wird. Mir imponiert etwas ganz anderes: Jürgen Klopp trägt die Zunge auf dem Herzen. Seine sympathische Art und Weise macht ihn zu einem Vorbild, weil er eine neue Trainergeneration verkörpert. Wer ihn so emotional auf der Seitenlinie wirbeln sieht, der weiß, was ich damit meine. Klopp lebt dort seinen Fußball und wird zum Teil der Mannschaft, der Fans und des Vereins.
Nils Julian Meiß, 22 , Student aus Frankfurt am Main, kommentierte die Frage auf taz.de
Im heute eher vergänglichen und kommerzialisierten Fußballgeschäft ist es wahrlich schwer, einem Akteur den Idolcharakter zuzuweisen. Ein Idol muss auch sportlich schlechte Zeiten und Fehltritte überstehen können. Klopp hat das Zeug dazu, denn er hat über einige Jahre auf verschiedenem Terrain sportlich viel erreicht.
Doch Jürgen Klopp und seine Mannschaft werden in der nächsten Fußballsaison auf eine neue Ebene gestellt und geprüft. Sie laufen als Titelverteidiger der Bundesliga auf und müssen sich noch dazu auf europäischem Parkett bewegen. Das Idol „Klopp“ ist greifbar – und gleichermaßen angreifbar.
Nils Straatmann, 22, ist Slam-Poet und Mitglied der Autoren-Nationalelf des DFB
Jürgen Klopp ist das Vorzeigemodell eines modernen Fußballlehrers. Er hat es geschafft, aus dem vom Konkurs bedrohten BVB eine junge, frische und vor allem sympathische Mannschaft zu formen.
Der Fußball ist attraktiv offensiv, voller Spielfreude und Witz. Während in anderen Vereinen Trainer sitzen, die ihre fertig ausgebildeten Topspieler wie ein Mittagsmahl vorgesetzt bekommen und diese dann nach altbewährten Routinen über den Platz trotten lassen, siegt in Dortmund die Tugend der Jugend. Kein Team hat in der Saison den neuen Fußball mit seinen über das ganze Spielfeld greifenden offensiv- und defensivtaktischen Mitteln so elegant umgesetzt wie die Gelb-Schwarzen.
Über Kloppos mediales Verhalten mag man streiten. Das sind Probleme von kurzem Interesse. Vielmehr sollte noch ein ganz anderes Verdienst hervorgehoben werden: die moderne Fußballberichterstattung. An der Seite von Kerner und Meier hat er es geschafft, eine adäquate taktische Analyse der Weltmeister- und Europameisterschaftsspiele zu etablieren. Schluss mit all dem Stammtischpalaver à la Hartmann und Konsorten. Das, was in England schon längst gang und gäbe war, wurde unter Klopp endlich ins deutsche Fernsehen geholt. Wer Fußball schaut, konnte und kann von Jürgen Klopp etwas lernen.
NEIN
Amélie Gräfin von Montgelas, 57, lehrt Benimm im Schloss Offenberg in Bayern
Von Fußball verstehe ich nicht viel. Aber dass Jürgen Klopp ein großer Trainer ist, habe ich bereits mitbekommen. Für eine junge Mannschaft übernimmt er viel Verantwortung. Er schaut nett aus, er lacht viel, und meistens reagiert er in der Öffentlichkeit gut. Eigentlich verfügt er über gute Ansätze, um ein Idol für die Jugend zu sein. Ein Idol muss aber auch eine große Selbstbeherrschung mitbringen. Seinen Gefühlen lässt Jürgen Klopp manchmal freien Lauf. Einmal schrie er einem Schiedsrichter ins Gesicht, ein anderes Mal hat er einen Fernsehjournalisten beschimpft und beleidigt. Das geht überhaupt nicht.
Ein Mensch mit Vorbildfunktion sollte außer Stil, souveränem Auftreten und guten Manieren auch das Herz am rechten Fleck haben. Über Jürgen Klopp zu urteilen, wäre von mir anmaßend, zumal ich ihn nicht persönlich kenne. Solange er sich nicht beherrscht, kann er aber kein Idol sein.
Hans Meyer, 69, Erfolgstrainer im Ruhestand und Fußball-Weiser
Wir kennen doch die Menschen gar nicht wirklich, die wir feiern. Ich weiß nicht, warum man einen Jürgen Klopp derart aufs Schild heben soll. Wenn Sie jemanden bewundern, weil er eine ebenso schöne Frisur hat wie Hans Meyer, dann steht Ihnen das frei. Sie wissen dann aber noch lange nicht, wie dieser Jemand beispielsweise mit seinen Kindern umgeht. Da muss man sehr vorsichtig sein.
Wir kennen nur einen bestimmten Ausschnitt. Und wenn es da nun um den Fußballtrainer Jürgen Klopp geht, darum, wie er den Fußball interpretiert, welchen Stil er spielen lässt, wie er es versteht, mit jungen Menschen zusammenzuarbeiten, dann kann man das durchaus als vorbildlich bezeichnen. Mit einer Ausnahme: Wenn er, der unter einem immensen Druck steht, der seit Monaten bedrängt wird und von beinahe jedermann gefragt wird, ob er schon Deutscher Meister ist, ein einziges Mal ausrastet, weil ein Mainzer Spieler einfach weiterspielt, obwohl ein Dortmunder verletzt am Boden liegt, dann war er in fußballerischer Hinsicht für drei Minuten einmal kein Vorbild. Aber mal im Ernst: Sollen wir deswegen jetzt eine ganz große gesellschaftliche Debatte führen? Jürgen Klopp ist ein erfolgreicher Trainer, jetzt ist er Deutscher Meister, und es gibt viele Menschen im Land, die sich darüber freuen. Fertig.
Dirk Metz, 54, Schalke-Fan, war Medienberater von Ro- land Koch und Stefan Mappus
Jürgen Klopp ist eine spannende Type, hat eine erfrischende Art, einen hohen Unterhaltungswert, fördert junge Spieler und lässt spritzigen Offensivfußball spielen. Aus meiner – zugegebenermaßen sehr persönlichen – Sicht hat er lediglich einen Nachteil: mit Dortmund gerade den falschen Verein zur Deutschen Fußballmeisterschaft geführt zu haben.
Aber nicht deswegen tue ich mich mit dem Begriff Idol schwer. Es bedeutet Abgott, Abbild eines Gottes, Götzenbild – hat also religiöse Züge. Aber aus dem Idol von heute kann der Gejagte von morgen werden. Gerade noch schreien wir Fans „Halleluja“ und morgen „Kreuziget ihn“. Und Jürgen Klopp? Er ist auf der anderen Seite ja auch ein stinknormaler Trainer, der am Spielfeldrand ausrastet, die Schiedsrichter angeht und kürzlich einen Reporter derart zusammengepfiffen hat, dass es diesem noch Tage später in den Ohren geklungen haben dürfte. Da macht mir der Begriff Idol noch mehr Probleme – und sicher nicht nur mir. Denn ich bin sicher, dass Jürgen Klopp selbst gar kein Idol sein will. Dass es ihm vollkommen reicht, ein erfolgreicher Trainer zu sein. Und er wird vielleicht eines Tages, wenn er die Erfolge bestätigen kann und sich die Nachfolgefrage stellt, sogar Fußballbundestrainer. Aber an den lieben Gott reicht er nicht heran. Das hat nicht mal der „Kaiser“ geschafft!