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Archiv-Artikel

Aufschwung für wenige KOMMENTAR VON TARIK AHMIA

Zuerst die gute Nachricht: Die deutsche Wirtschaft wird auch weiterhin wachsen, sagen die „fünf führenden Wirtschaftsforschungsinstitute“ voraus. Erfreulich an solchen Konjunkturprognosen ist, dass durch den Aufschwung die Zahl der Arbeitslosen von 2006 bis 2008 um eine satte Million sinken dürfte.

Doch nun die schlechte Nachricht: Die Mehrheit der Deutschen wird vom Aufschwung nur etwas aus der Zeitung erfahren. Denn wie bisher werden die Menschen, die dieses Wachstum erarbeiten, nur mit den Krumen ihres Erfolges abgespeist – und das mit dem Segen der „fünf führenden“ Forschungsinstitute. Spürbare Lohnerhöhungen von gerade einmal drei Prozent soll es ab 2008 geben.

Dabei spreizt sich die Schere zwischen Löhnen und Unternehmensgewinnen schon seit Jahren. Auch die Qualität der neuen Jobs ist ernüchternd: Die Hälfte entsteht bei Zeitarbeitsfirmen, und die sind nicht gerade das, was die Menschen von der wirtschaftlichen Erholung erwarten.

Der Vergleich mit den europäischen Nachbarn fällt zudem düster aus: Dort belegt Deutschland mit seinem letztjährigen Wachstum von 2,7 Prozent gerade einmal den viertletzten (!) Platz innerhalb der 27 EU-Mitgliedstaaten. Zur Euphorie besteht kein Anlass. Fakt ist, dass in den letzten zehn Jahren in keiner anderen Exportwirtschaft die Löhne so schwach gestiegen sind wie in Deutschland. Mit Hilfe niedriger Löhne haben deutsche Unternehmen ihre ausländischen Konkurrenten verdrängt. Im Inland hat diese Lohnzurückhaltung in der gleichen Zeit 600.000 Arbeitsplätze gekostet. Kein Wunder, dass von der wichtigen Konsumnachfrage bis heute kaum Impulse kommen. Wegen der anhaltend starken Weltkonjunktur sind deutsche Unternehmen zuversichtlich: Nach jahrelangem Verzicht investieren sie wieder in Maschinen und Produktionsanlagen und beleben dadurch den deutschen Binnenmarkt.

Dass die Wirtschaftsforscher trotzdem weiter Lohnzurückhaltung und Steuersenkungen fordern, von denen vor allem Wohlhabende profitieren, ist unredlich. Denn damit entziehen sie dringenden öffentlichen Investitionen die Grundlage.