IM ZIRKUS
: Kleine Tierschau

Man wartete. Weiter warten. Gespannte Ruhe. Und dann …

Im Zirkus gewesen. Gestaunt. Und zwar, selbst wenn man es eigentlich gar nicht zugeben will, genau mit den „klassisch klischeehaften Kinderstrahleaugen“, die ein Kollege von der Süddeutschen Zeitung vor gar nicht so langer Zeit bei den Ludwigshafener „Tatort“-Ermittlern ausgemacht hatte, als die ihrem Drehbuch folgend gleichfalls bei so einer Vergnügung teilnehmen durften und sich dabei genauso drehbuchgemäß mit einer „staunenden Freude“ zeigten, die man, wieder der Kollege, einem erwachsenen Menschen gar nicht abnehmen könne.

War aber halt so.

Mag meinetwegen klassische Regression sein, die man sich auch noch ein Weilchen gönnen kann, bis weit in den Oktober rein auf der traurigen Staubbrache hinterm Hauptbahnhof an der Heidestraße, die man mit einigem Trotz Festplatz nennt. Dort gastiert gerade der Zirkus (der sich feinsinnig regressiv Circus schreibt). Zu sehen gibt es fliegende Menschen und Rock ’n’ Roll tanzende Robben, es gibt Elefanten, weiße Pferde, braune Pferde und gestreifte Pferde, wobei die Zebras einfach nur so durch die Arena tollten, ohne Reiter obendrauf. Wenigstens einmal ging den Jongleuren eine Jonglierkeule daneben. Wahrscheinlich einstudiert. Kleine Fehler machen sympathisch. Der übliche Zirkus eben, Sensationen, Sensationen.

Und dann auch noch das: Sorgsam wurde ein Podest in der Arena zurechtgeruckelt. Ein ziemlich großes Podest. Der Vorhang wurde zurückgeschlagen. Man wartete. Passierte aber nichts. Weiter warten. Gespannte Ruhe jetzt im weiten Rund, warten. Nichts passiert. Bis endlich eine Stimme verkündet: „Das Nashorn hat keine Lust heute.“

Toll, so eine zauberhafte Desillusionierung, ganz nebenbei. Großer Zirkus.

Jetzt ist man natürlich richtig neugierig, wie das eigentlich ausschaut, wenn das Nashorn mal Lust hat. THOMAS MAUCH