LESERINNENBRIEFE :
Profit auf Kosten des Staates
■ betr.: „Schäuble bremst Weltwirtschaft“, taz vom 22. 9. 14
Bundesfinanzminister Schäuble ist ein ausgeglichener Haushalt wichtiger, als die (Welt-)Wirtschaft anzukurbeln, auch wenn staatliche Investitionen hierzulande Arbeitsplätze und Wachstum garantieren könnten. Außerdem dient die Schuldenbremse dazu, weitere Ausgaben in die Infrastruktur abzulehnen.
Wenn Herr Schäuble nun Privatinvestoren sucht, um marode Brücken und Straßen zu sanieren, dürften sich ihm sicher bald wieder Firmenkonsortien anbieten, die solche Projekte finanzieren. Schließlich werden solche öffentlich-privaten Partnerschaften (ÖPP) schon seit Langem von Politikern favorisiert; allerdings nicht zum Vorteil des Steuerzahlers, vielmehr machen hier private Unternehmer wohl eher Profit auf Kosten des Staates. Die entsprechenden Verträge, die beträchtlichen Umfang an Aktenordnern annehmen können, unterliegen strengster Geheimhaltung, selbst die Parlamentarier können sich Zugang zu den Inhalten nur erklagen. Dabei sind dann oft die entscheidenden Stellen geschwärzt, und sprechen dürfen die Abgeordneten über den Inhalt mit anderen auch nicht. Dadurch soll verschleiert werden, dass der Staat mit diesen Verträgen unkalkulierbare Risiken eingeht, denn die Investoren sichern sich meist eine mehr als 10-prozentige Rendite, während alle Risiken durch den Staat zu übernehmen sind. Der Bundesrechnungshof weist daher schon länger darauf hin, dass die ÖPP-Projekte in Wirklichkeit meist von den Anbietern schöngerechnet werden und letztendlich den Staat ein Mehrfaches kosten als staatlich veranlasste. Sie seien daher nicht sinnvoll.
Aus dem Ruder gelaufene Unternehmungen lassen sich allenthalben besichtigen, bei denen der Staat dann wieder einspringen muss, um den Konkurs abzuwenden.
HELGA SCHNEIDER-LUDORFF, Oberursel
Marktkonforme Demokratie
■ betr.: „Europa. Auf der Kippe“, taz vom 24. 9. 14
Herr De Gucht „schwört“ mal wieder, um die Freihandelsabkommen unter Dach und Fach zu bekommen.
Herr De Gucht gehört angeblich den Liberalen an. Aber wer ist damit gemeint? Denn er verhandelt Abkommen, in denen die unterzeichnenden Staaten tatsächlich ihre Gewaltenteilung gegenüber der Wirtschaft aufgeben sollen, um Gewinne nicht nur zu maximieren, sondern auch zu garantieren (siehe Investitionsschutzklauseln). Was allerdings viel bedeutender ist, worüber aber nicht so häufig berichtet wird, ist die sogenannte Ewigkeitsklausel, die nichts anderes besagt, als dass diese Abkommen nicht mehr gekündigt werden können; selbst dann nicht, wenn eine neue Regierung gewählt wird, die diesen Abkommen negativ gegenübersteht. Das bedeutet nichts anderes, als dass die Demokratie zugunsten der Wirtschaftsbosse abgeschafft wird. Denn eine weitere Passage bestimmt auch, dass die Wirtschaftslobby massiven Einfluss auf die Gesetzgebung nehmen soll/kann, wenn es um Gesetzgebungsverfahren geht.
Entweder haben das unsere Politiker – vor allem Herr Gabriel und Frau Merkel – übersehen, oder es steckt die Absicht dahinter, unsere Demokratie „marktkonform“ zu machen, wie Frau Merkel das ja angekündigt hat. Wenn sie das übersehen, dann haben sie auf ihren Posten nichts mehr zu suchen, wenn sie mit Wissen dabei sind, dann verstoßen sie gegen das Grundgesetz und müssen erst recht abgelöst werden, denn dann verraten demokratisch gewählte Politiker die Demokratie, um das Kapital noch weiter zu stärken und die Bevölkerung auszuliefern. ALBERT WAGNER, Bochum
Klimaschutz nur am Rande
■ betr.: „Vorspiel ohne Kanzlerin“, „Klima: Gute Stimmung, neue Zahlen, viele Versprechen“, taz vom 24. u. 25. 9. 14
Der Klimagipfel hat gebracht, was er bringen konnte: gezeigt, dass Klima noch Thema ist, und zum Teil auch, dass Fortschritte möglich sind. Symbolpolitik: Die Entscheidungen fallen eher in den Klimaverhandlungen oder für die EU durch den Europäischen Rat am 23./24. Oktober. Aber Symbolpolitik ist auch wichtig und bereitet den Boden für die realpolitischen Entscheidungen! Insofern erscheint das Symbol, dass Kanzlerin Merkel zu Hause blieb, nicht ganz irrelevant – und: beunruhigend. Noch beunruhigender, wenn man die Rede liest, die sie stattdessen beim BDI hielt. Klimaschutz wird nur am Rande angesprochen, in seltsamer Verdrehung als Anhängsel der Energiewende, und mit Sorge, die Klimapolitik (Emissionshandel) könne „wieder“ Nachteile für die heimische Industrie bedeuten.
REBECCA NANSEN, Berlin
Die Fratze grausiger Diktatur
■ betr.: „Ein Schandurteil ohne jede Grundlage“, taz vom 24. 9. 14
Ein unfaires und dummes Urteil. Die chinesischen Machthaber zeigen hier vor aller Welt ihr wahres Gesicht, die Fratze der grausigen Diktatur. Nun besteht die Gefahr, dass sich die Uiguren, aber auch die Tibetaner und die Mitglieder / Anhänger anderer verfolgter Nationalitäten / Weltanschauungen radikalisieren, also erst recht Terroranschläge verüben, was dem Wirtschaftsstandort China schadet. Der „Westen“ muss gegen dieses Urteil protestieren, auch Sanktionen verhängen. Es geht um unsere Glaubwürdigkeit als Demokraten und Humanisten. Unsere Wirtschaft muss endlich, schon aus Eigeninteresse, ihren Beitrag zur Bildung rechtsstaatlicher Verhältnisse in aller Welt leisten, denn Investitionen und wirtschaftliche Entwicklung brauchen politische Stabilität, Rechtssicherheit, ja Gerechtigkeit. CHRISTIAN FUCHS, Gutenstetten