Schwestern unter sich

THEATER Das Berliner Performancekollektiv She She Pop wirft in „7 Schwestern“ frei nach Tschechow einen Blick auf die eigene Lebensrealität

Einen „Liebestest“ verlangt Shakespeares König Lear von seinen drei Töchtern, bevor er, um sich einen verantwortungsfreien Lebensabend zu verschaffen, sein Reich unter ihnen aufteilt. Was naturgemäß tragisch endet, ist das Tauschgeschäft Geld und Macht gegen Liebe doch nicht nur kompliziert und undurchsichtig, sondern zudem erzwungen. Für sein Stück „Testament. Verspätete Vorbereitungen zum Generationswechsel nach Lear“, mit es nun zum ersten Mal zum Berliner Theatertreffen eingeladen worden ist, hatte das Hamburg-/Berliner Performance-Kollektiv She She Pop letztes Jahr die eigenen Väter auf die Bühne gebeten. Um dann aus den unterschiedlichen Perspektiven zweier Generationen über Macht, ihren Verlust und dessen Kompensation zu verhandeln, oder über schlechtes Gewissen und elterliche Ansprüche. Kompliziert war auch das. Aber bei weitem nicht so tragisch. Gemordet wurde jedenfalls nicht. Schon eher: Unterschiede akzeptiert. Denn verhandelt wurde am Ende eine Utopie: Der Ausgleich der Generationen.

Die Väter sitzen mittlerweile wieder im Publikum. Denn in seiner neuen Performance ist das feministische Kollektiv wieder unter sich, unter Schwestern, genauer: „7 Schwestern“. Frei nach Tschechow werfen Lica Lucassen, Johanna Freiburg, Berit Stumpf und der zur Schwester eingegenderte Sebastian Bark gemeinsam mit Olga, Mascha und Irina einen Blick auf die eigene Lebensrealität, auf eine „Generation von Nichtstuern“. Die „Nichtstuer“ sind allesamt „in einem gewissen Alter, in einer gewissen Situation“: die Töchter und Söhne der Frauenbewegung, um die 40, emanzipiert, gut ausgebildet, haben längst alle Facetten des Arbeitsmarktes kennengelernt. Nun bekommen sie Kinder. Und plötzlich bricht sich die historische Dimension ihrer so selbstverständlich gewordenen Freiheit wieder Bahn: kein Mitleid hatten sie mit ihren Müttern – nun hat niemand Mitleid mit ihnen. Was einmal Bewegung war, ist längst nur noch private Erfolgsstory. Und all die alten Fragen tauchen erneut auf: Was haben wir erreicht, wer sind wir, wo wollen wir hin? Und geht das jetzt überhaupt noch?

Und so durchstreifen She She Pop das Prosorow’sche Haus, die Küche, das Wohnzimmer, die Toilette, immer auf der Suche nach dem verloren gegangenen Salon: dem gesellschaftlichen Ort, an dem das Private doch noch einmal Politik werden kann.ROBERT MATTHIES

■ Do, 19. 5. bis Sa, 21. 5. und Fr, 27. 5. bis So, 29. 5., je 19.30 Uhr, Kampnagel, Jarrestraße 20