: Ich bin on – und Mami ist dabei
KINDERSICHERUNG Unpädagogischer Kontrollzwang oder längst überfälliger Schutz? Eine US-Senatorin will Eltern Zugang zu den Onlineprofilen ihrer Kinder verschaffen
EIN PRO VON JULIA SEELIGER
Endlich versucht es mal jemand! Kalifornien, der US-Staat, der auch für die IT-Industrie steht, will Datenschutz für Kinder besser regulieren. Die mächtige demokratische Senatorin will ein Gesetz durchbringen, bei dem Anbieter von Onlinenetzwerken wie Facebook und Myspace dazu verpflichtet werden können, Eltern Zugang zum Profil der Kinder zu geben.
Und sofort ist das Geschrei groß, manche sprechen sogar davon, dass Eltern nun die Profile ihrer Kinder „zensieren“ könnten. Dabei macht Kalifornien einen Schritt in die richtige Richtung. Offline haben Eltern eine Aufsichtspflicht, es spricht wenig dagegen, dass diese auch online von ihnen eingefordert wird. Vielmehr sollten Eltern die ersten Schritte im Netz mit ihren Kindern gemeinsam machen.
Sicherlich wird man auch damit nicht allen Kindern gerecht, denn auch jetzt schon – Beispiel aus dem Offlinebereich – gibt es Eltern, die ihre Kinder vor dem Fernseher parken und eben nicht mit ihnen über das Erlebte sprechen.
Allerdings: Die im kalifornischen Gesetz angedachte Altersgrenze von 18 Jahren ist viel zu hoch. Bis zu einem Alter von ungefähr 12 wäre es okay, wenn Eltern aufpassen. Und auch die Idee, den Anbietern von Onlinenetzwerken Bußgelder aufzudrücken, wenn sie den Datenschutz missachten, ist richtig. Dass jetzt der große Einbruch in die Privatsphäre der Kinder kommt, ist nicht zu erwarten. In der Offlinewelt können Eltern im Zimmer ihrer Kinder nach Drogen, Pornoheftchen oder dem Tagebuch suchen – rein rechtlich, wohlgemerkt! Auch dabei ist die Chance, vom Kind erwischt zu werden, nahezu null.
Dennoch gibt es in hinreichend funktionierenden Eltern-Kind-Beziehungen eine Art Konsens, dass eine solche Schnüffelei nicht okay ist. Gute Eltern wissen, dass sie nur im schlimmsten Fall einen solchen Privatsphären-Tabubruch begehen sollen. Wenig spricht dagegen, solche prinzipiellen Rechte von Eltern auch auf die digitale Sphäre auszudehnen.
Dazu gehört, zu wissen, dass im Netz nicht nur das Böse wartet. Das Netz ist ein neuer Kontinent, den wir alle erst entdecken müssen. Doch ganz ohne Regeln geht es auch da nicht.
EIN CONTRA VON NATALIE TENBERG
Was offline möglich ist – die Überwachung des Nachwuchses –, soll nun also auch online erfolgen können. Selbstverständlich nur zum Schutz vor all dem Bösen und Fiesen, das sich im Internet herumtreibt.
Dabei gehört die Tatsache, dass Eltern nicht jeden Moment des Lebens ihrer Kinder kontrollieren können, zu den beruhigenden Wahrheiten. Sie wollen nämlich gar nicht nur vor akuter Gefahr schützen, sondern eben auch, dass die Kinder nicht mit den Asis von nebenan spielen. Weder off- noch online. Klar, wenn die 14-jährige Tochter alle ihre Kontakte per SchülerVZ zum Blaumachen auffordert, wäre es der Erziehung dienlich, dies auch zu erfahren. Doch es gibt da ja immer noch eine Schule, die über die Fehlzeiten der Schulschwänzerin aufklären wird. Die beiden Welten, offline und online, sind mitnichten getrennt, sondern sie sind eine Welt. Oder leben Ihr Kind und sein Smartphone auf verschiedenen Planeten?
Allen beunruhigten Eltern sei gesagt, dass der kleine Freiraum, den Social Networks bieten, nur selten zu bizarren, nicht nachvollziehbaren Freundschaften führt. Soziale Netzwerke nämlich, so schreibt Hannah Pilarczyck in ihrem Buch „Sie nennen es Leben“ sind weniger offen als gedacht. „Teenager nutzen sie in der Mehrzahl, um bereits bestehende Kontakte zu pflegen.“ In dieser Konstellation feilt das Kind an seiner Medienkompetenz, kommentiert, lädt hoch, lästert, teilt aus, steckt ein. All das wäre tot, wenn Kinder dabei überwacht würden. Eltern, schreibt Klaus Raab in „Wir sind online – wo seid ihr?“, sind Eindringlinge. Und bedrohen sie die Gemeinschaft, werden einfach andere Ausgrenzungsmechanismen angewandt.
Nötiger als einen automatischen Zugang, ja Zugriff auf die Konten der Kinder wäre da etwas ganz anderes: Eltern müssen sich endlich auskennen mit dem, was dort zu finden ist. Das viel größere Problem als das verborgene Leben im Web liegt nämlich darin, dass Jugendliche zu wenig auf ihre Privatsphäre achten und alles jedem zugänglich machen. Hier sollten Eltern erziehen, nicht kontrollieren. Nachfragen, reden und sich interessiert zeigen. Zur Not kann Vati auch seinen Sohn googeln. Das reicht.