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Archiv-Artikel

Nur eine Verschnaufpause

KOMPROMISS Trotz einer Einigung über die gestiegenen Haftpflichtprämien für Geburtshelferinnen drohen freiberuflichen Hebammen erneute Kostensteigerungen

Wir erwarten für Juli 2015 eine weitere Erhöhung der Haftpflichtversicherung

VON HANNAH SCHÜNEMANN

Hebamme ist einer der ältesten Berufe der Welt. Bereits im dritten Jahrtausend vor Christi Geburt wurde der Beruf in ägyptischen Tempelmalereien verewigt. Auch im Alten Testament findet er Erwähnung, und das erste Hebammenlehrbuch stammt aus dem Jahr 117 nach Christus. Es wurde den Hebammen aber schon in den altertümlichsten Zeiten nicht leicht gemacht, ihren Beruf auszuüben, und die Quellen berichten über Unterbezahlung, Ächtung und sogar Hexenverbrennung .

Heutzutage nun wird Hebammen in Deutschland durch steigende Berufshaftpflichtprämien das Leben schwer gemacht. Hebammen dürfen ohne Berufshaftpflicht gar nicht mehr arbeiten, denn wenn sie einen Fehler machen, kommen im schlimmsten Fall Mutter und Kind zu Schaden. Festangestellte Hebammen werden in der Regel von ihrem Arbeitgeber versichert. Freiberufliche Hebammen hingegen müssen die hohen Versicherungssummen alleine stemmen. Die Prämien der Versicherungen sind für den Geldbeutel einer freiberuflichen Hebamme allerdings kaum zu verschmerzen: Von 1992 bis 2012 sind sie von 200 auf 4.200 Euro gestiegen. Dieses Jahr sind sie nun noch einmal um 20 Prozent emporgeschossen. Rettung in letzter Not waren nun die neuen Haftpflichtzulagen der Krankenkassen, die im April ausgehandelt wurden.

Rückwirkend ab dem 1. Juli 2014 gibt es mit den Haftpflichtzulagen einen ersten Ausgleich für freiberufliche Hebammen. Ab Juli 2015 sollen diese dann von individuellen Regelungen abgelöst werden. „Wir sind zufrieden, dass endlich eine Form der Unterstützung für die freiberuflich tätigen Hebammen gesetzlich umgesetzt wurde. Aber es ist keine Lösung, die das gesamte Spektrum der Hebammenarbeit sichern kann“, so Katharina Jeschke, Hebamme und Beirätin für den Deutschen Hebammenverband. Insbesondere freiberufliche Hebammen mit wenig Geburten sollen durch die Zuschläge gefördert werden. Deshalb bekommt eine Hebamme, die Hausgeburten begleitet, einen höheren Zuschuss als eine Beleghebamme in der Klinik. Schwangerschafts- und Wochenbettbegleitung hingegen werden überhaupt nicht bezuschusst.

Das soll sich mit einer neuen Regelung im nächsten Jahr ändern. Ab Mitte 2015 kann jede geburtshilflich tätige Hebamme einen sogenannten Sicherstellungszuschlag beantragen, wenn sie die Haftpflichtprämie nicht mit ihrer Arbeitsleistung finanzieren kann. „Das ist theoretisch nicht schlecht. Ob die Krankenkassen diesen gesetzlichen Anspruch aber ebenso interpretieren wie wir Hebammen, werden die Verhandlungen zeigen“, kommentiert Katharina Jeschke. Die Sicherstellungszuschläge gibt es nämlich nicht umsonst. Bis Ende des Jahres müssen die Hebammen, die Hausgeburten betreuen, Maßstäbe und Kriterien zum Nachweis ihrer qualitativen Arbeit vereinbaren. „Wir denken, dass Verständigung möglich sein sollte, denn beide Parteien wollen, dass Hausgeburten auf hohem qualitativen Niveau möglich sind“, so Florian Lanz, Pressesprecher des Bundes gesetzlicher Krankenkassen.

Werden sich die Parteien nicht einig, wird ein langwieriges Gerichtsverfahren für Klärung sorgen müssen. Die Leidtragenden wären dann wieder die Hebammen, die auf den Ausgleich der Kosten warten müssen. „Das werden sie nicht durchstehen können, denn wir erwarten für Juli 2015 eine weitere Kostensteigerung bei der Haftpflichtversicherung auf weit über 6.000 Euro pro Jahr“, warnt Katharina Jeschke.

Die Zulagen der Krankenkassen lösen also nicht die Kostenexplosion bei den Haftpflichtprämien. Diese steigen weiter, und das nicht, weil Hebammen mehr Fehler machen. Das liegt viel mehr daran, dass in Deutschland aufgrund fehlender Finanzierung eine Grundlage für sogenannte medizinische Leitlinien in der Geburtshilfe fehlt. Solche Leitlinien müssten wissenschaftlich fundiert entwickelt werden. Diese könnten dann wiederum den Haftpflichtversicherungen als tauglicher Maßstab für die Bestimmung der Prämienhöhe dienen. „Das Kostenproblem der Haftpflichtversicherung wird aber auch deshalb so gravierend, weil die Vergütung für Hebammen so gering ist“, so Katharina Jeschke. Eine freiberufliche Hebamme hat ein Durchschnittseinkommen von knapp 7,50 Euro die Stunde. Über fünftausend Euro Versicherungsprämie pro Jahr sind bei einem solchen Gehalt schlichtweg nicht zu verkraften.

Bedroht ist der Hebammenberuf also auch weiterhin. Gleichzeitig erfährt er aber auch viel Unterstützung: „Es war die Bevölkerung, die begriffen hat, wie bedrohlich die Lage ist, die gesehen hat, welchen Verlust sie hat, wenn es Hebammen nicht mehr gibt, und die sich für die Bedürfnisse der zukünftigen Eltern und Kinder stark gemacht hat“, betont Jeschke. Wer mittelalterliche Sanktionen überdauert hat, wird mit kräftiger Unterstützung hoffentlich auch modernen Versicherungshürden trotzen.