: Endlich eine Ausbildung, und dann?
FRUST Erst weinte Klara vor Glück, als sie eine Ausbildungsstelle bekam, dann vor Enttäuschung. Die Lehrinhalte sind dürftig, das Geld ist knapp. Ist Ausbildung so mies? Sind die Erwartungen zu hoch? Können Lehrjahre auch herrliche statt Herrenjahre sein?
Arbeit wie 1950
■ betr.: „Sklaven in Ausbildung“, taz vom 24. 9. 14
Liebe Klara Coers, Auszubildende fehlen in Deutschland, Fachkräfte auch, und die Erde ist eine Scheibe. Wie es Ihnen und allen anderen ergeht, die einfach keine Lobby haben, ist schlichtweg schändlich. Gesellschaftspolitische Loser gibt es auch in unserer Generation – mein Mann und ich sind quicklebendig und Mitte 50.
Als „ältere Arbeitnehmer auf Jobsuche“ haben wir in jüngster Zeit Deutschland von unten kennen gelernt. Etwas Besseres als den Tod finden wir allemal, dachten wir, frei nach den Bremer Stadtmusikanten. Viel besser wird es aber nicht. Und wissen Sie was? Es interessiert niemanden.
Nur ein Beispiel: Die Bezugsperson an meiner Seite war in einem Konzern beschäftigt und wurde mit der gesamten Abteilung auf dem Altar des Shareholder Value geopfert. Ausdrücklich zu internen Bewerbungen aufgefordert, verschwanden diese aus der Lostrommel; das Gesamtkunstwerk sollte ja einen guten Preis erzielen.
Der (Seelenver-)Käufer wirtschaftete die florierende Abteilung in drei Jahren in Grund und Boden. Rechenschaft dafür müssen nur die Suchenden auf dem Arbeitsmarkt ablegen, der für Problembären (also Fachkräfte, die angeblich fehlen) nach nur einem Jahr vorsieht, auf Andrea Nahles’ horrenden Mindestlohn verzichten zu dürfen.
Und jetzt freuen wir uns über eine Arbeit, die ungefähr halb so viel Geld bringt wie die frühere (aber genauso viel wert ist). Wir wollen nicht meckern, ausgeglichen wird das durch Arbeitszeiten und Urlaub wie 1950 und fehlende 13. Gehälter. Mensch will ja nicht unverschämt sein! Dafür ist alles befristet, trotz langer Probezeit. Ich als weitere Verdienerin kann allerdings nicht Hunderte von Euros netto herbeizaubern. Komisch, dass sich die Kosten nicht auch halbieren lassen! Name und Anschrift sind der Redaktion bekannt
Es geht anders!
■ betr.: „Sklaven in Ausbildung“, taz vom 24. 9. 14
Ich bin seit 1966 in einer Verwaltung eines Landkreises tätig. Die subjektiven Aussagen von Klara erinnern mich an meine Ausbildungszeit in den Jahren 1966 bis 1968. Dass es aber anders geht, zeigt das Beispiel im meinem Landkreis.
Im Jahre 1996 wurde unter Verzicht auf den Betriebsausflug zwischen Personalrat und dem Kreisausschuss vereinbart, dass jährlich mindestens vier Auszubildende mehr eingestellt werden. Teilweise werden kontinuierlich bis zu acht Auszubildende eingestellt und überwiegend nach der Ausbildungszeit noch ein Jahr übernommen beziehungsweise festangestellt.
Die Ausbildungsvergütung von rund 800 bis 1.000 Euro halte ich für diesen Lebensabschnitt für durchaus angemessen. Soweit ich es beurteilen kann, werden die Azubis vom Personalmanagement, dem Personalrat und der Frauenbeauftragten optimal betreut. Einen Männerbeauftragten für die männlichen Azubis gibt es nicht. Auch zusätzliche Weiterbildungsmöglichkeiten und angebotene Seminare, nicht nur im beruflichen Zweig (zum Beispiel Entspannungskurse, Yoga) fördern die Motivation. Beim Rheingau-Taunus-Kreis heißt es nicht : „Lehrjahre sind keine Herrenjahre“, sondern: „Lehrjahr sind herrliche Jahre!“ KLAUS GABLER, Idstein
Bitter geschrieben
■ betr.: „Sklaven in Ausbildung“, taz vom 24. 9. 14
Wichtig ist es, auf Missstände aufmerksam zu machen, gerade auch wenn „schwächere“ Bevölkerungsgruppen wie junge Auszubildende betroffen sind. Sicher ist es notwendig, sich auch grundsätzlich Gedanken über unser duales Ausbildungssystem und auch die Höhe von Ausbildungsvergütungen zu machen.
Der oben erwähnte Artikel nimmt allerdings aus einer sehr subjektiven Sicht einen großen Raum ein und enthält einige Aussagen, die überhaupt nicht haltbar sind. So kann man für den Bezug von Berufsausbildungsbeihilfe auf jeden Fall einen Aktualisierungsantrag bezüglich der Einkommenssituation der Eltern stellen, auch wenn der Behördengang mühsam ist und leider nicht automatisch das notwendige Antragsformular ausgeteilt wird. Es gibt in vielen Berufen Ausbildungsrahmenpläne, die auf jeden Fall auch der Ausbilder einhalten muss, allerdings der Azubi die Pflicht hat, das immer wieder zu prüfen.
Bei Problemen mit Überstunden oder der Einschätzung, schlecht ausgebildet zu werden, gibt es Berufsberatung zum Beispiel von der IHK, die die Prüfungen in dem hier angesprochenen Beruf ausrichtet. Auch wenn die Unternehmen selbst kein Interesse an der Verkürzung einer Ausbildung haben, ist dieses von Kriterien wie Prüfungsergebnissen und Berufsschulnoten abhängig; die Informationen über die Möglichkeit kommen in der Regel von der Berufsschule oder zum Beispiel von der IHK.
Die Einschätzung, die gleiche Arbeit wie die Gesellen zu machen, trifft bestimmt häufig zu, aber sicher nicht immer, da ja ansonsten keine Ausbildung notwendig wäre. Unterschätzt wird hierbei oft der Überblick über Verfahrensabläufe sowie die Geschwindigkeit, wie Dinge abgearbeitet werden können. Ausbilden kostet auch Geld, zu erwähnen sind der freizustellende Berufsschultag, Prüfungsgebühren, Lehrgangskosten etc.
Bedenkenswert die Einschätzung, auf jeden Fall zusätzlich schwarz arbeiten zu müssen, damit keine Steuern abgezogen werden können – mit der 450-Euro-Regelung kann Geld steuerfrei hinzuverdient werden.
Der Artikel ist sehr bitter geschrieben und lässt mich über den Satz stolpern: „Die Ausbildung hat mich arm gemacht.“ Da wünsche ich der 21-jährigen Verfasserin eine weniger anstrengende Zukunft und Versöhnung mit ihren direkten Lebensumständen – und hin und wieder eine intensivere Recherche.
GABY MENNICKEN, Lindhorst
Nur verwöhnt?
■ betr.: „Sklaven in Ausbildung“, taz vom 24. 9. 14
Ihre Ausführungen betreffen eine Branche, Eventmanagement, Messewesen, den Medienbereich. Das sind ein paar von wenigen, in denen Dinge laufen, wie Sie es erlebten. Das kenne ich auch aus meinem privaten Umfeld. Nur, daraus zu folgern, Unternehmen, ob groß oder klein, wie Sie schreiben, würden sich um die Probleme der Auszubildenden nicht kümmern, die Auszubildenden hätten keine Lobby – das, verehrte „Klara“, ist nun so gar nicht richtig. Allenfalls eben in der oben genannten Branche und wenigen anderen.
Beruflich bin ich in der Industrie unterwegs, in kleinen und großen Unternehmen. Überall dort, wo es Lehrlinge gibt, wird auch in aller Regel für eine fachgerechte Ausbildung gesorgt. Dafür sorgen zum Beispiel der Betriebsrat und deren Jugendvertreter, die IHK etc. Ich war selbst in meiner Lehre Jugendvertreter im Betriebsrat.
Also. Bitte keine groben Verallgemeinerungen, wie in Ihrem Erlebnisbericht, denn mehr ist es nicht. Sie vermitteln ein komplett falsches Bild. Würde die Überschrift „Sklaven bei Medienschaffenden“ lauten, wäre das von Ihnen Geschriebene deutlich näher an der Wirklichkeit.
Und noch ein Letztes: Wegen Geldknappheit können Sie sich all die von Ihnen angeführten Dinge nicht leisten (Urlaub, Klamotten, Dinge, die Sie servieren). Ja du meine Güte! In der Ausbildung ist man in der Ausbildung ist man in der Ausbildung. Sind das die verwöhnten Jugendlichen? Das wäre jetzt auch eine Verallgemeinerung, eine grobe auch noch.
JÜRGEN BADER, Augsburg