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Archiv-Artikel

Ausgesprochen schwacher Test

Der bundesweit erste Sprachtest für Vierjährige zeigt: Fast fünfzig Prozent der Kinder haben Schwierigkeiten, sich auszudrücken. Erst ein zweiter Test entscheidet, wer künftig gefördert wird

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Jedes zweite Vorschulkind in NRW hat Probleme, sich auszudrücken – oder Probleme, den bundesweit ersten Sprachtest zu bestehen. Erst der zweite Test wird zeigen, welche Kinder gefördert werden. Das sind nicht unbedingt Migrantenkinder, sagen Linguisten. Sie verfügten häufig über eine bewundernswerte Zweisprachigkeit.

VON NATALIE WIESMANN

Der ideelle Besuch im Zoo endete für jeden zweiten Vierjährigen in Nordrhein-Westfalen in einer Enttäuschung. Beim bundesweit ersten Pflichttest „Delfin“, der auf einem Brettspiel mit Tierfiguren basierte, wies fast jedes zweite Kind Sprachdefizite auf. 43 Prozent der Kinder, die im März am Test teilgenommen haben, müssen nun zur genaueren Einschätzung zu einem weiteren Test. Dort werden sie eine halbe Stunde lang von einer Grundschullehrerin auf ihre Ausdrucksfähigkeit geprüft. Erst danach wird entschieden, welches Kind wirklich Sprachförderung erhält. Dafür will die schwarz-gelbe Landesregierung 340 Euro pro Kind und Jahr ausgeben.

Zur zweiten Teststufe werden 33.000 Kinder hinzukommen, die nicht in den Kindergarten gehen oder an dem Test-Tag krank waren. Darunter, vermutet das Schulministerium, werden auch viele Kinder mit Migrationshintergrund sein. Unter den Sprachschwachen sind aber auch Kinder mit deutscher Muttersprache – wie viele, ist noch nicht bekannt. NRW-Integrationsminister Armin Laschet (CDU) hatte bereits im Februar prognostiziert: „Wir werden Kinder türkischer Herkunft erleben, die flüssig Deutsch reden und keine Hilfe brauchen. Aber auch deutsche Kinder, die nicht so sprechen, wie wir es von Vierjährigen erwarten.“

Für Opposition und Lehrergewerkschaften ist nicht die Sprachfähigkeit der Kinder, sondern der Test das Problem: „Der Test ist schlicht und einfach nicht kindgerecht“, sagt Andreas Meyer-Lauber, Vorsitzender der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) in NRW. „Der Test wurde mit der heißen Nadel gestrickt und ist unter Kinderpsychologen umstritten“, so Andrea Asch, jugendpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion. SPD-Familienpolitikerin Britta Altenkamp hält solch ein „Kinderabitur“, wie sie es nennt, für überflüssig: „Es gibt bereits Sprachbeobachtungsbögen und auch entsprechende Förderung“, sagt sie. „Die CDU tut so, als habe sie das neu erfunden.“

Kritik am Test kommt auch von Sprachwissenschaftlern: „Die Maßstäbe bestimmen das Ergebnis“, so Fred Bertz von der Universität Münster. „Bei anderen Tests waren nur zehn Prozent der Vierjährigen auffällig (siehe Interview unten).“

Schulministerin Barbara Sommer (CDU) und Integrationsminister Laschet rufen derweil vereint zur Gelassenheit auf: „Erst nach der zweiten Stufe ist klar, wie viele Kinder Sprachförderung brauchen“, heißt es aus dem Schulministerium. Im Zweifelsfall hätten ErzieherInnen und LehrerInnen beschlossen, das Kind zum nächsten Test zu schicken, so ein Sprecher. Den Vorwurf, sie hätten den Test übers Knie gebrochen, will er nicht annehmen. „Wir mussten ihn so früh wie möglich einführen, damit nicht noch mehr Kinder mit Defiziten eingeschult werden.“

Auch im Integrationsministerium versteht man nicht, warum alle von „Kinder-Abitur“ oder „Durchfallen“ sprechen: „Durch den Test rücken die Sprachdefizite in ein neues Licht“, sagt Ministeriumssprecherin Barbara Löcherbach. Die Finanzierung müsse im Zweifelsfall aber auch für jedes zweite Kind reichen: „Wir gehen davon aus, dass jedes Kind die 340 Euro bekommt.“ Die Opposition hält diese Fördersumme für einen Witz: „Mit 6,41 Euro pro Woche und Kind kommt man nicht weit“, sagt SPD-Familienpolitikerin Britta Altenkamp.