In echt ganz echte Berliner

Ganz ehrlich: Manchmal ist der Grund, die „Zitty“ zu kaufen, die eine Seite Fil. Seit zehn Jahren fängt der Zeichner mit seinen Helden Didi & Stulle ein Berlin ein, das grob ist und subtil – und seit kurzem zenbuddhistisch. Eine Würdigung

Fil ist quasi das Sahnehäubchen innerhalb der Zitty. Man kauft sich das Heft, liest da und dort so halb interessiert, um dann zum Comic zu blättern, den man viel zu schnell durchliest. Und immer mehr will, wie wenn man viel Durst hat und nur ein kleines Bier da ist und all die Spätis und Kaufhallen erst in zwei Wochen wieder aufmachen.

Seit 1981 – da war er 14 – zeichnet und schreibt „der scheue“ bzw. „der schaue Fil“ für das freundlichere der beiden Stadtmagazine. Er kommt aus dem Märkischen Viertel und tritt in seinem Nebenberuf als Performer mit der Handpuppe Sharkey häufig wochenlang im Tempodrom auf. Waren „Die drei Tornados“ authentischer Humorausdruck der Generation der nun so 50-Jährigen, ist Fil dasselbe für die nun so ungefähr 40-Jährigen. Seine erste Figur hatte „Der kleine Konrad“ geheißen, dann kamen Anfang der 90er Stups und Krümel und Mitte der 90er Ätzi und Fetzi, die beiden Jugendlichen mit prima Sprüchen wie „sago bago“ oder „ciao cescu“. Solche Sachen schnappt Fil wie ein klassischer Feuilletonist auf der Straße auf, übernimmt sie oder dreht sie weiter. Man lacht sich halbtod und bemüht sich, selber ein bisschen so zu sprechen. Die Figuren sind prima gezeichnet, aber am lustigsten sind doch die Worte. Fil ist jedenfalls der Schriftsteller unter den Berliner Zeichnern; ein Meister unterschiedlich eingesetzter Anführungszeichen; ein Held auch des Groben. Seine Comicserie „Didi & Stulle“ ist kürzlich zehn Jahre alt geworden. „Stulle die dumme Pottsau – da kommta ja“ – „Didi mein Mann“: Mit diesen Worten hatten die gesammelten Geschichten der beiden besten Freunde begonnen, die von Ferne Schweinchen gleichen, aber in echt doch echte Berliner sind.

Ihre Abenteuer, in denen einem Nebenfiguren wie „Gott“ oder Jugendselbsthilfegruppenleiter Rainer Broch liebgeworden sind, dauern meist so sieben Folgen. Immer wieder wechselt Fil die Sprecherfunktion, wendet sich direkt an die Leser oder an die Zitty-Zeitung, kommentiert sich selber, baut ein winzigwinzigkleines Sudoku ein oder macht irgendwo, in einer superkleinen Sprechblase, eine fiese Anspielung auf Maxim Billers „Live aus Berlin“.

In letzter Zeit wurde Fil immer langsamer und überließ sich, wie ein vom Vertrauen seiner Fans getragener DJ, seinen Launen. Durch die Serien „Didi & Stulle im Himmel“, „Didimaus – Der letzte Vorhang“, „Kuck mal, wer da tot ist“ und den schwarz-weißen Folgen von „Getötet vom Tod“ währt das Ableben der beiden Helden schon recht lang. Didi und Stulle wurden laut Fil „immer mehr Zen, in dem Sinne, dass man sie nicht mehr versteht“. Am Rande seltsam abstrakter Wege standen existenztheoretische Fragen: „Wie kann es überhaupt Didi und Stulle geben, wenn dies nur Striche auf Papier sind?“ Immer wieder wurde die triumphale Wiederkehr eines großen Themas angedeutet, das irgendwann dann glorios, laut, bunt und ausgiebig ausgefaltet werden würde. Dann würden Didi & Stulle, back again, wieder aufeinander zugehen, und Didi würde irgendwas sagen wie: „Ey Stulle, ick schwöre, du bist so schwul, Alta.“ Und Didi würde antworten: „Janich.“

DETLEF KUHLBRODT