Politisches Fingerhakeln um Fingerabdrücke

SPD verspricht Vernichtung von Daten aus Pässen. Union will Fingerabdrücke jedoch „dezentral aufbewahren“

BERLIN afp/taz ■ Nach längeren Verhandlungen zwischen den Innenpolitikern von Union und SPD wird die große Koalition offenbar auf die Speicherung der Fingerabdrücke verzichten, die in die neuen biometrischen Pässe aufgenommen werden. Jedenfalls teilte dies gestern der sozialdemokratische Verhandlungsführer Dieter Wiefelspütz mit. Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) soll auf die Maßnahme verzichtet haben. „Die Koalition macht das nicht, weil die SPD nicht mitmacht“, sagte Wiefelspütz der Welt. Nach Angaben aus der CDU/CSU ist aber noch keine Entscheidung gefallen.

Die SPD habe das Projekt zu den Fingerabdrücken beendet, weil es nicht verfassungskonform sei, sagte Wiefelspütz. Jetzt werde der Kabinettsbeschluss umgesetzt, Fingerabdrücke nur zur Erstellung von biometrischen Pässen zu verwenden und dann sofort wieder zu vernichten. „Sie werden auf gar keinen Fall auf Vorrat gespeichert, weil wir nicht grundlos Daten speichern dürfen, schon gar nicht so wichtige Daten wie Fingerabdrücke“, erklärte Wiefelspütz im Fernsehsender n-tv. Der Innenpolitiker betonte: „Wir von Seiten der SPD werden niemals ein aus unserer Sicht verfassungswidriges Gesetz verabschieden.“

Unionsparlamentsgeschäftsführer Norbert Röttgen (CDU) sagte vor Journalisten in Berlin, es werde derzeit über eine ganze Reihe von Maßnahmen beraten. Ob es zur Speicherung der Abdrücke komme, sei nicht der entscheidende Punkt. Er fügte hinzu: „Es gibt keinen Forderungskatalog von uns.“ Er verteidigte aber das Vorhaben weiterer Sicherheitsgesetze. Der Bund habe im Zuge der Föderalismusreform Kompetenzen zur Abwehr der Gefahren des internationalen Terrorismus übernommen. Treffe er hier keine Regelung, entstehe eine Lücke. Unionsfraktionsvize Wolfgang Bosbach (CDU) trat dem Eindruck entgegen, es gebe bereits eine Einigung über das Passgesetz mit der SPD. „Wenn schon etwas entschieden wäre, dann müssten wir nicht weiter verhandeln“, sagte Bosbach der Netzeitung. Der neben Schäuble wichtigste CDU-Innenpolitiker betonte, auch seine Partei wolle keine bundesweite Datei, in der alle Fingerabdrücke gespeichert werden. „Das plant niemand, das ist nicht Gegenstand des Gesetzentwurfes“, sagte Bosbach. „Im Kern geht es nur um eine Frage, nämlich: Sollen die Fingerabdrücke, die abgegeben wurden zur Erstellung eines Passes, anschließend sofort vernichtet werden oder sollen sie dezentral in den 5.300 Passbehörden aufbewahrt werden, damit man noch nachprüfen kann, ob ein Pass überhaupt ordnungsgemäß erstellt wurde.“ Demnach muss also noch entschieden werden: Vernichten oder aufbewahren? Laut Bosbach verhandeln die Innenexperten morgen weiter.

Schäuble sagte gestern lediglich, er respektiere, dass sich das Verfahren in den parlamentarischen Beratungen befinde. Über die Gespräche mit dem Koalitionspartner sei Vertraulichkeit vereinbart worden, fügte ein Sprecher in Berlin hinzu.

Der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar sagte bei der Vorstellung seines Tätigkeitsberichts, er würde es begrüßen, wenn die Koalition tatsächlich auf die Speicherung der Abdrücke verzichten würde. Die Fingerabdrücke aller Pass- und Personalausweisinhaber in Dateien zu erfassen, „käme der unterschiedslosen erkennungsdienstlichen Erfassung der gesamten Bevölkerung auf Vorrat gleich“, warnte Schaar. LKW

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