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Archiv-Artikel

Zuckerwort und Peitsche

Verlage im Norden (V): Der Zeter- und Mordio-Verlag in Hannover interessiert sich für „Nebenwelten“. Und mag es dabei familiär: Verlegerin Maya Birken kümmert sich nicht nur um den Verlag, sondern auch um Schreibblockaden

Zu den Konventionen der Büroeinrichtung in der westlichen Welt gehören: Keine Tischdecken. Vor allem nicht am Konferenztisch. Beim Zeter und Mordio-Verlag in Hannover ist das anders: Hier gibt es eine Tischdecke auf dem Konferenztisch. Allerdings ist dieser Tisch nicht nur zum Arbeiten da, sondern auch zum Wohnen: Zeter und Mordio hat seinen Sitz in der Wohnung von Maya Birken, die den Verlag im Jahr 2000 gegründet hat. Birken ist 31 Jahre alt und sagt: „Ein eigenes Büro ist angepeilt.“

Wenn Birken das sagt, dann klingt es nach: Büro wäre nett, ist aber nicht wirklich wichtig. Denn eigentlich ist das Wohnungsbüro ganz passend für die Arbeitsweise des Verlags: Birken macht den Verlag im Wesentlichen zusammen mit der Lektorin Marianne Glaßer, die per Mail aus Süddeutschland zuarbeitet und Fabian Kösters, der die Website betreut. Alles andere, die Produktion der Bücher, den Vertrieb im Internet, die Organisation von Lesungen und die Autorenbetreuung macht Birken alleine. „Ich bin auch die Ansprechpartnerin, wenn die Autoren Schreibblockaden haben“, sagt sie. „Es ist ein bisschen ein familiäres Verhältnis.“

Was unter anderem beinhaltet, dass Birken ihre Autorin Juliane Beer bei Lesungen vertritt, weil Beer das Auftreten nicht mag. Birken liest dann Beers Texte und findet: „Jemand, der gut schreiben kann, muss nicht gut auftreten können. Mir ist es lieber, sie nutzt die Energie für gute Bücher.“

Drei Romane, eine Anthologie, drei Hörbücher und einen Gedichtband hat Birken bislang herausgegeben. Der verlagsinterne Bestseller war das Hörbuch „Bis dahin“ von Mirco Buchwitz, der seine Kurzprosa gerne mit Musik kombiniert und von Dingen wie der Tristesse des Nachtlebens oder Aggressionsschüben beim Umzug-Helfen erzählt. Buchwitz hat sich damit auf diversen Poetry-Slam-Bühnen einen Namen gemacht. Seine CD verkaufte sich bisher fast 1.000 mal.

Leben kann Birken von den Umsätzen nicht. Ihr Geld verdient sie als freie Graphik-Designerin, wobei ihr die Verlagsarbeit mitunter als Akquiseinstrument dient: Birken organisiert dann nicht nur die Lesung, sondern macht für den Veranstalter auch gleich den Flyer und das Plakat. Zum Beispiel.

Inhaltlich positioniert sich Zeter und Mordio als „Verlag für Nebenwelten“, was heißt: Es geht um „unkonventionelle Kunstformen“ und um einen „Austausch jenseits kommerzieller Zwangsmuster“. Also finden sich im Programm ein Band mit politischer Lyrik des jungen hannoverschen Autors Jan Egge Sedelies. Oder der Roman „Eines Nachts habe ich einen Ausflug gemacht“ der 39-Jährigen Juliane Beer, in dem es um das Leben eines arbeitslosen Malers geht, dessen Leben sich zwischen Geldmangel, Vereinsamung und Callcenter-Jobangebot in einem Berliner Mietshaus abspielt.

Letztlich aber ist es keine Programmatik, sondern das subjektive Urteil von Birken und ihrer Lektorin, die ausschlaggebend dafür sind, ob Zeter und Mordio etwas veröffentlicht oder nicht. Und es ist auch weniger der etablierte Literaturbetrieb, an dem sich die Verlagsaktivitäten orientieren – wichtiger ist das Netzwerk. Das entwickelt sich einerseits durch das Internet, lebt andererseits aber auch wesentlich von Lesungen und Veranstaltungen im wirklichen Leben. Birken verwendet einige Zeit darauf, ihre Autoren auf Lesetour zu schicken und veranstaltet selbst Leseabende. Wie kürzlich die Lesebühne „Zuckerwort und Peitsche – Wir ziehen euch auf links“, die jetzt alle zwei Monate im hannoverschen Kulturpalast stattfinden wird. Zu den Texten von vier Autorinnen gibt es dort Musik. Und das Versprechen: „Die Ladys karamellisieren Euch den Dienstag Abend.“ KLAUS IRLER